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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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ersetzen, der den männlichen Part zu Penny Arcade spielte und markige Sprüche wie He could take or leave her / And he took her and then left her von sich geben musste.
    La MaMa war eine der ersten experimentellen Bühnen, Off-Off-und-noch-mal-Off-Broadway. Ich hatte am College in ein paar Aufführungen mitgespielt, ich war die Phaedra in Hippolytus von Euripides und Madame Dubonnet in The Boyfriend gewesen. Die Schauspielerei gefiel mir, aber ich hasste das Textlernen und das dicke Puder-Make-up, das man auf der Bühne tragen musste. Ich verstand das Avantgarde-Theater gar nicht, aber ich dachtemir, es müsste Spaß machen, mit Jackie und ihrer Truppe zu arbeiten. Jackie gab mir die Rolle ohne Vorsprechen, also wusste ich gar nicht, worauf ich mich eigentlich einließ.

    Ich saß in der Lobby und versuchte, nicht so auszusehen, als würde ich auf Robert warten. Ich machte mir Sorgen, wenn er in das Labyrinth seiner Hustler-Welt eintauchte. Unfähig mich zu konzentrieren, saß ich an meinem üblichen Platz über mein orangefarbenes Schulheft gebeugt, in dem mein Gedichtzyklus für Brian Jones stand. Ich trug mein Onkel-Remus -Outfit – Strohhut, Br’er-Rabbit-Jacke, Arbeitsschuhe und eine alte Hose – und feilte an den immergleichen Formulierungen herum, als mich eine seltsam vertraute Stimme ansprach.
    »Was machste, Herzchen?«
    Ich schaute hoch in das Gesicht eines Fremden mit der absolut perfekten dunklen Brille auf der Nase.
    »Schreiben.«
    »Bist du Dichterin?«
    »Könnte sein.«
    Ich rutschte auf meinem Sitz rum, tat desinteressiert, als würde ich ihn nicht erkennen, aber diesen trägen Zungenschlag konnte man überhaupt nicht verkennen, genauso wenig wie das schräge Grinsen. Ich wusste genau, wem ich da gegenüberstand: Das war der Typ aus Don’t Look Back. Der andere. Bobby Neuwirth, der Peacemaker-Provokateur. Bob Dylans Alter Ego.
    Er war Maler, Singer-Songwriter und Va-banque-Spieler. Er war der Intimus der großen Köpfe und Musiker der Beatgeneration, die wir so gerade eben verpasst hatten.
    Um zu überspielen, wie beeindruckt ich war, stand ich auf, nickte und steuerte Richtung Tür, ohne auf Wiedersehen zu sagen. Er rief mir nach.
    »He, wo hast du denn gelernt, so zu laufen?«
    Ich drehte mich um. »Aus Don’t Look Back.«

[Menü]
    Er lachte bloß und fragte, ob ich Lust hätte, mit ihm einen Tequila im El Quixote zu kippen. Ich trank eigentlich nicht, aber nahm einen Kurzen, ohne Zitrone und Salz, um cool zu wirken. Er war ein angenehmer Gesprächspartner, und wir redeten über alles Mögliche von Hank Williams bis zum abstrakten Expressionismus. Er schien Gefallen an mir zu finden. Er nahm mir mein Notizbuch aus der Hand und guckte rein. Ich nehme an, er sah Potenzial darin, denn er fragte: »Hast du schon mal daran gedacht, Songs zu schreiben?« Ich wusste nicht recht, was ich darauf antworten sollte.
    »Das nächste Mal, wenn ich dich sehe, will ich einen Song von dir«, sagte er, als wir die Bar verließen.
    Mehr musste er mir gar nicht sagen. Als er ging, gelobte ich, ihm einen Song zu schreiben. Ich hatte schon an ein paar Songtexten für Matthew herumprobiert und auch ein paar Sachen im Appalachen-Stil für Harry geschrieben, aber ich fand es nicht so toll. Jetzt hatte ich einen Auftrag und noch dazu von einem, für den ich ihn gern erfüllte.
    Robert kam erst spät nach Hause, mürrisch und etwas verärgert, dass ich mit einem Fremden was trinken war. Aber am nächsten Morgen war er auch der Meinung, es sei großartig, dass jemand wie Bob Neuwirth Interesse an meiner Arbeit zeigte. »Vielleicht bringt er dich ja endlich ans Singen«, sagte er. »Aber denk dran, wer dir das schon immer gesagt hat.«
    Robert hatte meine Stimme immer gemocht. Als wir in Brooklyn wohnten, sollte ich ihn immer in den Schlaf singen, und ich tat dies mit Liedern der Piaf und Kinderliedern.
    »Ich will aber nicht singen. Ich will nur Stücke für ihn schreiben. Ich will Dichterin sein, nicht Sängerin.«
    »Sei doch beides«, meinte er.
    Robert schien den ganzen Tag irgendwie neben sich zu stehen, schwankte immer zwischen Zuneigung und Übellaunigkeit. Ich spürte, dass etwas im Busch war, aber er wollte nicht darüber reden.

    Die folgenden Tage verliefen in zermürbendem Schweigen. Er schlief viel, und wenn er aufwachte, wollte er, dass ich ihm meine Gedichte vorlas, vor allem die, die ich für ihn geschrieben hatte. Zuerst hatte ich Angst, dass ihm vielleicht jemand irgendwas angetan hatte. In seinen

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