Just Kids
langen Schweigephasen dachte ich auch an die Möglichkeit, dass er jemand anderen kennengelernt hatte.
Ich erkannte das Schweigen als Zeichen. So etwas hatten wir schon zuvor durchgemacht. Auch wenn wir nicht darüber sprachen, stellte ich mich schon ein wenig auf die Veränderungen ein, die mit Sicherheit kommen würden. Robert und ich schliefen immer noch miteinander, und ich denke, es war für uns beide schwer, offen über alles zu sprechen. Paradoxerweise schien er mich umso näher an sich zu ziehen. Vielleicht war es kurz vor dem Aus – wie ein Gentleman, der seiner Geliebten noch Geschmeide schenkt, bevor er ihr sagt, dass es vorbei ist.
Sonntag, Vollmond. Robert war ruhelos und musste plötzlich unbedingt raus. Er sah mich lange an. Ich fragte ihn, ob es ihm gut ginge. Er sagte, das wüsste er nicht. Ich ging mit ihm bis zur Ecke. Dort blieb ich stehen und schaute den Mond an. Später ging ich beunruhigt noch mal raus und holte Kaffee. Der Mond hatte sich blutrot gefärbt.
Als er endlich nach Hause kam, legte er den Kopf auf meine Schulter und schlief ein. Ich stellte ihn nicht zur Rede. Später verriet er mir, dass er eine Grenze überschritten hatte. Er war mit einem anderen Typen zusammen gewesen, und diesmal nicht für Geld. Ich konnte immerhin ein gewisses Verständnis für ihn aufbringen. Meine Rüstung hatte immer noch ihre Schwachstellen, und Robert, mein Ritter, hatte mir etliche Verletzungen beigebracht, wenn auch ohne es zu wollen.
Wir begannen, uns häufiger Geschenke zu machen. Kleine Dinge, die wir bastelten oder in der verstaubten Ecke eines Leihhauses entdeckten. Dinge, die sonst keiner wollte. Kreuze aus geflochtenem Haar, angelaufene Glücksbringer und Haikus auf Valentinskarten, die mit Stoff und Leder verziert waren. Wir legten uns Zettel hin, kleine Kuchen. Krimskrams eben. Als könntenwir damit das Loch stopfen, die einstürzende Wand stützen. Die Wunde verschließen, die wir aufgerissen hatten, um neue Erfahrungen hereinzulassen.
Wir hatten Pigman einige Tage nicht gesehen, aber seinen Hund heulen gehört. Robert rief die Polizei, und die brach die Tür auf. Robert ging hinein, um die Leiche zu identifizieren, dann brachten sie Pigman und den Hund fort. Der hintere Loftbereich war doppelt so groß wie der vordere. Obwohl er sich schrecklich dabei fühlte, wollte Robert ihn wahnsinnig gern übernehmen.
Wir waren sicher, dass wir rausfliegen würden, da wir keinen eigenen Mietvertrag hatten. Robert suchte den Hauseigentümer auf und erklärte ihm unsere Situation. Der Eigentümer war der Ansicht, die Räumlichkeiten seien wegen des hartnäckigen Geruchs nach Tod und Hundepisse nur schlecht zu vermieten, und bot uns das gesamte Stockwerk für dreißig Dollar weniger im Monat an, als unsere Miete im Chelsea betrug, außerdem zwei mietfreie Monate, um alles zu reinigen und neu anzustreichen. Um die Pigman-Geister zu besänftigen, zeichnete ich ein Bild mit dem Titel Ich sah einen Mann, er führte seinen Hund aus , und als ich es fertig hatte, schien auch Robert seinen Frieden mit dem traurigen Ende von Pigman gemacht zu haben.
Es war klar, dass wir es uns nicht leisten konnten, im Chelsea zu wohnen und gleichzeitig die komplette Etage über der Oasis Bar zu übernehmen. Ich wollte eigentlich nicht weg aus dem Chelsea, das für mich Literatur und Kunst war, nicht fort von Harry und unserem Bad auf dem Flur. Wir diskutierten viel darüber. Ich sollte den kleineren Raum vorne bekommen, Robert den hinteren. Das Geld, das wir einsparten, würde für Strom, Gas und Wasser reichen. Ich wusste, es wäre eine vernünftige Entscheidung, ja, böte sogar eine vielversprechende Aussicht. Wir hätten beide genug Platz, um unsere Sachen zu machen, und wären uns weiterhin nahe. Doch es war auch sehr traurig, vor allem für mich. Ich liebte das Hotel und wusste, dass alles anders werden würde, wenn wir auszogen.
»Was wird dann aus uns?«, fragte ich.
»Uns wird es immer geben«, sagte er.
Robert und ich hatten nicht vergessen, was wir uns im Taxi vom Allerton zum Chelsea geschworen hatten. Es war klar, dass wir noch nicht bereit waren, getrennte Wege zu gehen. »Ich bin ja nur eine Tür weiter«, sagte er.
Wir mussten jeden Cent zusammenkratzen. Wir brauchten vierhundertfünfzig Dollar, eine Monatsmiete plus eine Monatsmiete Kaution. Robert verschwand häufiger als gewöhnlich und verdiente hier und da zwanzig Dollar. Ich hatte ein paar Schallplattenbesprechungen geschrieben und erhielt nun
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