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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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stapelweise Bemusterungsexemplare. Wenn ich die besprochen hatte, die mir gefielen, brachte ich sie alle in einen Laden namens Freebeing im East Village. Sie zahlten einen Dollar pro Platte, wenn ich also zehn Platten hatte, lohnte es sich schon. Ja, ich verdiente sogar mehr mit den Plattenverkäufen als an den Rezensionen. Ich war nicht besonders produktiv und schrieb für gewöhnlich über obskure Künstler wie Patty Waters, Clifton Chenier oder Albert Ayler. Mir ging es weniger ums Kritisieren, wichtiger war es mir, die Leute auf Künstler aufmerksam zu machen, die sie sonst vielleicht übersehen hätten.
    Ich hasste es, Sachen zu packen, auszumisten und zu renovieren. Robert übernahm diese lästigen Aufgaben bereitwillig, entsorgte den Müll, putzte und strich neu, genau wie er es schon in Brooklyn gemacht hatte. Ich teilte meine Zeit derweil zwischen Scribner und La MaMa auf. Abends nach meinen Proben trafen wir uns im Max’s. Mittlerweile hatten wir genug Selbstbewusstsein, uns wie Veteranen an den runden Tisch plumpsen zu lassen.
    Die Vorpremiere von Femme Fatale fand am 4. Mai statt, dem Tag, an dem die Studentinnen und Studenten in Ohio erschossen wurden. Keiner redete im Max’s viel über Politik, es sei denn über die Politik der Factory. Es galt als ausgemacht, dass die Regierung korrupt und der Vietnamkrieg falsch war, aber nun lag dasLeichentuch der Kent State University über der ganzen Vorstellung, es wurde kein guter Abend.
    Ab der offiziellen Eröffnung lief es besser, Robert kam zu jeder Aufführung und brachte oft auch noch Freunde mit. Unter ihnen war ein Mädchen namens Tinkerbelle.
    Sie wohnte in der Twenty-third Street in den London Terrace Apartments und war ein Factory-Girl. Robert fand ihren sprühenden Geist anziehend, aber außer ihrem koboldhaften Charme besaß sie auch eine äußerst spitze Zunge. Ich tolerierte ihre Giftpfeile gutmütig, weil ich mir sagte, sie sei für ihn eben, was Matthew für mich war.
    Tinkerbelle war es, die uns mit David Croland bekannt machte. Äußerlich war David ein Ebenbild von Robert, groß und schlank mit dunklen lockigen Haaren, blassem Teint und tiefbraunen Augen. Er stammte aus gutem Hause und hatte am Pratt Design studiert. 1965 hatten Andy Warhol und Susan Bottomly ihn auf der Straße gesehen und ihn für ihre Filme angeheuert. Susan, die als International Velvet bekannt war, wurde als nächster Superstar gehandelt, als neue Edie Sedgwick. David hatte eine leidenschaftliche Affäre mit Susan und war 1969, als sie ihn verließ, nach London geflohen und so mitten in der Hochburg für Film, Mode und Rock’n’Roll gelandet.
    Der schottische Regisseur Donald Cammel hatte ihn unter seine Fittiche genommen. Cammel befand sich im Epizentrum der Londoner Halbwelt; er und Nicolas Roeg hatten gerade erst zusammen Performance mit Mick Jagger gedreht. Als Topmodel bei Boys Inc. war David selbstbewusst und ließ sich nicht leicht einschüchtern. Als man ihm vorwarf, aus seinem guten Aussehen Kapital zu schlagen, erwiderte er: »Ich schlage kein Kapital aus meinem guten Aussehen. Andere Leute schlagen Kapital daraus.«
    Er war von London nach Paris umgezogen und kam Anfang Mai zurück nach New York. Er wohnte bei Tinkerbelle im London Terrace, und sie brannte darauf, uns alle miteinander bekannt zu machen. David war sympathisch und respektierte, dass wir ein Paar waren. Er kam uns gerne in unserem Loft besuchen, das er unsere Kunstfabrik nannte, und äußerte aufrichtige Bewunderung, als er sich unsere Arbeiten ansah.

    Unser Leben wirkte problemloser, seit David da war. Robert genoss seine Gesellschaft und fand es schön, dass David seine Kunst gefiel. Und dann war es David, der ihm einen ersten, wichtigen Auftrag vermittelte, eine Doppelseite im Esquire mit einem Bild von Zelda und Scott Fitzgerald, denen er mit Sprühfarbe schwarze Augenmasken gemacht hatte. Robert erhielt dreihundert Dollar dafür, so viel, wie er noch nie auf einen Schlag verdient hatte.
    David fuhr einen weißen Corvair mit roter Innenausstattung und nahm uns auf Runden um den Central Park mit. Es war das erste Mal, dass wir in einem anderen Auto als einem Taxi oder dem meines Dads saßen, wenn er uns von der Bushaltestelle in New Jersey abholte. David war nicht reich, aber doch besser gestellt als Robert und auf diskrete Weise spendabel. Wenn er mit Robert zum Essen ausging, übernahm er immer die Rechnung. Im Gegenzug schenkte Robert ihm Halsketten oder kleine Zeichnungen. Es zog sie

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