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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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Erhabenes, Männliches und beneidenswert Edles. Ohne jede Manieriertheit schuf er etwas durch und durch Maskulines, ohne die feminine Ausstrahlung zu opfern. Es interessierte ihn nie, ein politisches Statement abzugeben oder seinensexuellen Selbstfindungsprozess zu thematisieren. Er zeigte etwas Neues, etwas, was noch nie so gesehen oder erkundet worden war, wie er es sah und erkundete. Robert wollte bestimmte Aspekte der männlichen Selbsterfahrung überhöhen, er gab der Homosexualität etwas Mythisches. Wie sagte Cocteau einmal über ein Gedicht von Genet: »Seine Obszönität ist niemals obszön.«
    Robert war selbst kompromisslos, doch seltsamerweise sah er das bei mir mit kritischem Blick. Er fürchtete ständig, dass meine konfliktfreudige Art mir meine Erfolgschancen kaputt machen könnte. Doch der Erfolg, den er sich für mich ersehnte, war das Letzte, was ich wollte. Als Telegraph Books, ein revolutionärer Kleinverlag unter der Führung von Andrew Wylie, mir anbot, einen kleinen Gedichtband herauszubringen, konzentrierte ich mich auf Texte, die sich mit Themen wie Sex, Nutten und Blasphemie beschäftigten.
    Mädchen interessierten mich: Marianne Faithful, Anita Pallenberg, Amelia Earhart, Maria Magdalena. Ich begleitete Robert auf Partys, nur um mir die Weiber anzusehen. Sie waren ergiebige Studienobjekte und hatten ein untrügliches Stilgefühl. Pferdeschwanz und seidenes Hemdblusenkleid, sehr schick. Einige von ihnen tauchten in meinen Texten wieder auf. Die Leute verstanden mein Interesse falsch. Man dachte, ich wäre latent homosexuell oder wollte zumindest den Eindruck erwecken, dabei sah ich mich eher als eine Art Mickey Spillane, ich schärfte meinen harten, ironischen Blick.
    Ich fand es lustig, dass es Robert so beunruhigte, worüber ich schrieb. Er fürchtete, ich würde nie Erfolg haben, weil ich die Leute vor den Kopf stieß. Er drängte mich ständig, einen Song zu schreiben, zu dem er tanzen konnte. Es endete damit, dass ich ihm sagte, mit seinem ewigen Pochen auf kommerzielle Verwertbarkeit erinnere er mich ein bisschen an seinen Vater. Daran hätte ich aber kein Interesse, und ich wäre nun mal so ungehobelt. Das gab ihm Anlass zum Nachdenken, aber er fand trotzdem, er hätte recht.
    Beim Erscheinen von Seventh Heaven arrangierte Robert mit John und Maxime McKendry eine Party für mich. Es war ein zwangloser und doch eleganter Abend in ihrer wunderbaren Wohnung in Central Park West. Sie waren so nett gewesen, viele ihrer Freunde aus Kunst- und Modeszene und dem Verlagswesen einzuladen. Ich unterhielt sie mit Gedichten und Storys und verkaufte dann meine Bücher für einen Dollar das Stück aus einer großen Einkaufstüte heraus. Robert tadelte mich sanft, weil ich im McKendry’schen Salon so hausieren ging, aber George Plimpton, dem besonders mein Gedicht über Edie Sedgwick gefallen hatte, fand mich als Marktschreierin entzückend.
    Unsere unterschiedlichen gesellschaftlichen Umgangsformen führten zwar manchmal zu Streit, wir betrachteten das Ganze aber immer mit Liebe und Humor. Letzten Endes überwogen die Ähnlichkeiten zwischen uns, und es zog uns zueinander, auch über den tiefsten Graben hinweg. Wir überstanden die kleinen wie die großen Auseinandersetzungen mit demselben Elan. Für mich waren Robert und ich untrennbar miteinander verflochten, wie Paul und Elisabeth, die Geschwister in Cocteaus Les Enfants Terribles. Wir spielten die gleichen Spiele, erklärten das obskurste Zeug zur Kostbarkeit und verwirrten Freunde und Bekannte oft durch unsere unerklärliche Zuneigung.
    Robert war dafür abgekanzelt worden, dass er seine Homosexualität geleugnet hätte; wir wurden beschuldigt, kein richtiges Paar zu sein. Er hatte Angst, es würde unsere Beziehung zerstören, wenn er sich ausdrücklich zu seiner Homosexualität bekannte.
    Wir brauchten Zeit, um uns darüber klar zu werden, was es für uns zu bedeuten hatte, worauf wir uns einigen und unter welchem Namen wir unsere Liebe neu definieren sollten. Von Robert habe ich gelernt, dass Widersprüchlichkeit oft der eindeutigste Weg zur Wahrheit ist.

    Wenn Robert der Matrose war, war Sam Wagstaff das Traumschiff.
    Das Bild eines jungen Manns mit Matrosenmütze, den Kopf zum Halbprofil gedreht, überheblich und verlockend, hatte bei David Croland seinen festen Platz auf dem Kaminsims.
    Sam Wagstaff nahm es in die Hand und betrachtete es. »Wer ist das?«, fragte er.
    Jetzt ist es passiert, dachte David, als er die Frage

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