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Just Kids

Titel: Just Kids Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patti Smith
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beantwortete.
    Samuel Jones Wagstaff Jr. war intelligent, attraktiv und reich. Er war Sammler, Mäzen und ehemaliger Kurator des Detroit Institute of Arts. Er stand an einem Wendepunkt in seinem Leben, er hatte ein beträchtliches Vermögen geerbt und steckte in einer philosophischen Patt-Situation, genau auf der Trennlinie zwischen dem Materiellen und dem Spirituellen. Die Frage, ob er alles aufgeben sollte, um den Weg eines Sufis zu beschreiten, oder in eine Kunstrichtung zu investieren, mit der er noch nie in Berührung gekommen war, schien plötzlich durch Roberts herausfordernden Blick beantwortet zu sein.
    Überall in Davids Wohnung verstreut lagen Roberts Arbeiten herum. Sam sah alles, was er brauchte.
    Ohne es zu wollen, hatte David die Weichen von Roberts Leben gestellt. Aus meiner Sicht war er ein Marionettenspieler, der neue Figuren auf die Bühne unseres Lebens brachte, der Roberts Weg und damit die Geschichte veränderte. Er hatte ihn mit John McKendry zusammengebracht, der ihm Schatzkammern der Fotografie öffnete. Und nun schickte er ihm Sam Wagstaff, der Liebe, Reichtum, Kameradschaft und auch ein bisschen Kummer in sein Leben bringen würde.
    Ein paar Tage später erhielt Robert einen Telefonanruf: »Ist dort der schüchterne Pornograf?«, waren Sams erste Worte.
    Männer und Frauen waren gleichermaßen verrückt nachRobert. Oft tauchten Bekanntschaften von ihm bei mir auf und fragten, ob er zu haben sei und wie man sein Herz gewinnen könnte. »Liebe seine Arbeit«, sagte ich dann immer. Doch nur wenige hörten auf mich.
    Ruth Kligman fragte mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn sie ein Theaterstück für Robert schriebe. Ruth, die Autorin des Buches Love Affair: A Memoir of Jackson Pollock und einzige Überlebende des Autounfalls, bei dem er umgekommen war, war auf eine Elizabeth-Taylor-hafte Art attraktiv. Sie war immer todschick angezogen, und ich konnte ihr Parfüm schon riechen, wenn sie die Treppe hochkam. Sie hatte eine Verabredung mit Robert, klopfte aber vorher bei mir an und zwinkerte mir zu: »Drück mir die Daumen«, sagte sie.
    Ein paar Stunden später war sie wieder da. Sie streifte sich ihre Slingpumps ab, rieb sich die Knöchel und stöhnte: »Mensch, als er sagte, ›Komm doch mal vorbei und sieh dir meine Radierungen an‹, hat er wirklich gemeint, ›Komm doch mal vorbei und sieh dir meine Radierungen an‹.«
    Liebe seine Arbeit. Das war der Weg zu Roberts Herz. Aber der Einzige, der das wirklich kapiert hat, der in der Lage war, Roberts Werk als Ganzes und zutiefst zu lieben, war der Mann, der sein Liebhaber, sein Mäzen und Freund fürs Leben werden sollte.
    Ich war nicht da, als Sam das erste Mal zu Besuch kam, aber nach Roberts Aussage hatten sie den Abend damit verbracht, Roberts Arbeiten zu studieren. Sams Kommentare waren aufschlussreich, anregend und mit spielerischer Zweideutigkeit gewürzt gewesen, und er hatte versprochen, wiederzukommen. Robert war wie ein verknallter Teenager und wartete auf Sams Anruf.
    Er trat mit einer atemberaubenden Geschwindigkeit in unser Leben. Sam Wagstaff war ein Bild von einem Mann, wie aus Granit gemeißelt. Eine große, raue Ausgabe von Gary Cooper mit der Stimme von Gregory Peck. Er war liebevoll und spontan. Aber Robert fand Sam nicht nur wegen seines Aussehens attraktiv. Er hatte eine positive und neugierige Grundeinstellung und schienim Gegensatz zu anderen, die Robert in der Kunstszene kennengelernt hatte, keine Probleme mit dem komplizierten, komplexen Leben als Homosexueller zu haben. Er war nicht ganz so offen, wie es in seiner Generation eben üblich war, aber weder schämte er sich noch war er innerlich zerrissen, und er schien erfreut, sich Roberts Bereitschaft zur Offenheit anschließen zu können.
    Sam war körperlich fit, kräftig und geistig hellwach, und das in einer Zeit, in der es wegen des unbegrenzten Gebrauchs von Drogen beinahe unmöglich war, ein nüchternes Gespräch über Kunst oder den Schaffensprozesszu führen. Er war reich, doch blieb vom Reichtum unbeeindruckt. Außergewöhnlich klug und von enthusiastischer Aufgeschlossenheit gegenüber provokativen Konzepten, war er der ideale Fürsprecher und Mentor für Robert und dessen Kunst.
    Sam gefiel uns beiden: mir sein freigeistiges Wesen, Robert sein privilegierter Status. Sam, der sich mit Sufismus beschäftigte und in weißem Leinen und Sandalen herumlief, war unprätentiös und sich seiner Wirkung auf andere offenbar gänzlich unbewusst. Er war

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