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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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unverwandt an.
    Ich unternahm einen neuen Anlauf, um ihm meinen Standpunkt auseinanderzusetzen. »Okay, kurz gesagt: Die Art von Musik ist einfach nicht mein Ding. Tut mir leid. Ich hätte mir nicht die Ohren zuhalten sollen, das war taktlos und unhöflich. Aber ich   –«
    »Welche Waschanlage?«
    »Bitte?«
    »Wo befindet sich diese magische Hörstation, in der sich der Wert aller Musik entscheidet?«
    Ich sah ihn nur an. »Owen!«
    »Ich möchte es wirklich gern wissen.«
    »Es geht nicht um eine bestimmte Waschanlage, sondern um das Waschanlagen-Phänomen. Sag bloß, du kennst das nicht?«
    »Nein«, entgegnete er und legte den Rückwärtsgang ein. »Ich werde es aber kennenlernen. Und zwar   – jetzt.«
    Fünf Minuten später bogen wir auf das Gelände von
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ein, eine vollautomatische Waschanlage in unserer Nachbarschaft, gerade mal die Straße runter, die es schon ewig gab. Als ich klein war, hatten wir unser Auto ziemlich häufig dort waschen lassen, allerdings vor allem mit meiner Mutter, die aus irgendeinem Grund voll aufWaschanlagen abfuhr. Mein Vater versuchte ihr zwar immer wieder einzuschärfen, wirklich sauber bekomme man einen Wagen nur durch gründliches Selberwaschen. Und man muss es ihm lassen   – er wusch unser Auto tatsächlich des Öfteren selbst, in der Einfahrt, an trockenen sonnigen Tagen.
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betrachtete er als Zeit- und Geldverschwendung. Was meiner Mutter jedoch egal war. »Es geht ja auch nicht nur ums Waschen«, sagte sie ihm bei jeder Diskussion darüber wieder. »Sondern um das Erlebnis als solches.«
    Geplant waren diese Ausflüge zur Waschanlage nie. Meistens fuhren wir zufällig daran vorbei. Und plötzlich bog meine Mutter auf das Gelände ein, spontan. Forderte meine Schwestern und mich auf, in den diversen Handschuh- und Türfächern sowie der Mittelkonsole auf Kleingeldjagd zu gehen und den Automaten zu füttern. Wir wählten immer das Basis-Waschprogramm, ohne Heißwachs. Zuweilen nahmen wir allerdings noch das Pflege-und-Imprägnier-Programm für die Reifen dazu. Dann kurbelten wir alle Fenster hoch, lehnten uns in unseren Sitzen zurück und fuhren hinein.
    Es hatte wirklich etwas. In die dunkle Öffnung einzutauchen, wo urplötzlich das Wasser auf einen niederprasselte, als wäre man in den übelsten Gewittersturm überhaupt geraten. Das Wasser hämmerte auf die Motorhaube und den Kofferraum, rann in Strömen außen am Fenster entlang, schwemmte Blütenpollen und Staub mit sich fort. Wenn man die Augen schloss, spürte man förmlich, wie es einen mitriss. Es war irgendwie richtig unheimlich, aber einfach irre. Wer etwas sagte, flüsterte, auch wenn man gar nicht wusste, warum eigentlich. Aber stärker als an alles andere erinnere ich mich an die Musik.
    Meine Mutter liebte klassische Musik; im Auto hörte sie ausschließlich Klassik, was meine Schwestern und mich wahnsinnig machte. Wir flehten sie an, das normale Radioprogramm hören zu dürfen, irgendetwas aus diesem Jahrhundert. Aber sie schaltete auf stur. »Wenn ihr euren Führerschein habt, könnt ihr hören, was ihr wollt«, pflegte sie zu sagen und Brahms oder Beethoven auf volle Lautstärke zu drehen, um unser genervtes Stöhnen zu übertönen.
    In der Waschanlage jedoch klang die Lieblingsmusik meiner Mutter anders. Richtig schön. Nur hier konnte ich die Augen schließen und genießen. Und begreifen. Nachvollziehen, was
sie
hörte, wenn sie klassischer Musik lauschte.
    Als ich schließlich meinen Führerschein hatte, konnte ich im Auto endlich hören, was
ich
wollte. Es war das Größte! Aber dann ertappte ich mich beim ersten Mal, als ich allein durch
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fuhr, dabei, dass ich einen klassischen Radiosender einstellte. Um der alten Zeiten willen. Doch während das Auto langsam vorwärtsrollte, verschlechterte sich der Empfang zunehmend; mein Radiotuner wechselte automatisch zum nächsten Sender, der einen Country-Schlager   – oh, dieser typisch burschikos näselnde Gesang   – spielte. Auch etwas, das ich mir freiwillig nie ausgesucht hätte. Doch es war seltsam: Immer, wenn ich dort im Auto saß, die Bürsten über mir wirbelten und das Wasser in Strömen die Fenster entlangrann, klang jedes Lied, das gerade im Radio gespielt wurde, vollkommen. Wie der schönste Song der Welt. (Sogar wenn jemand aus voller Kehle davon schmetterte, wie wunderbar es sei, bei Vollmond in einem alten Ford durch die Gegend zu kutschieren.) Als wäre es im Grunde völlig egal,
was
gerade lief, solangeich nur

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