Just Listen - Roman
Ernst?«
Da ich gerade mein Spiegelbild vor Augen hatte, konnte ich dabei zuschauen, wie
ich
auf diese Nachricht reagierte: Ich blinzelte und mir fiel für einen Moment buchstäblich die Klappe runter, ehe ich meinen Mund schnell wieder schloss und wegsah.
»Louise war im Haus«, fuhr Hillary fort, »sie kennt die Geschichte also nur vom Hörensagen. Aber offensichtlich war Will mit Emily im Auto zu der Party gefahren. Und dann hat sie jemand gesehen. Als Sophie es erfahren hat, ist sie
ausgeflippt
.«
Marnie blickte unauffällig zu Emily hinüber, die mit dem Rücken zu uns stand, während ihre Mutter mit MrsMcMurty sprach. »Wahnsinn! Und was hat Will dann gemacht?«
»Keine Ahnung. Aber Louise meinte, Sophie hätte in letzter Zeit sowieso schon einen Verdacht in die Richtung gehabt. Weil Emily wohl mit ihm geflirtet hat und sich immer so seltsam benahm, wenn er in ihrer Nähe war. So aufgekratzt.«
Aufgekratzt?
, fragte ich mich.
Oder einfach nur nervös?
Plötzlich sah ich wieder Wills intensiven, unverwandten Blick vor mir. Musste daran denken, wie langsam die Zeit vergangen war, wenn wir irgendwo im Auto saßen und auf Sophie warteten. Hinter mir herrschte der übliche Lärm und Tumult, alle möglichen Leute liefen vorbei, meine Modelkolleginnen schwatzten. Aber ich hörte nur noch diese beiden Stimmen und meinen eigenen Herzschlag.
»Arme Sophie«, sagte Marnie.
»Aber echt. Dabei war Emily angeblich ihre beste Freundin.« Hillary seufzte. »Man kann eben niemandem trauen.«
Ich wandte den Kopf. Blickte die beiden an, die natürlich auch zu mir herübersahen. Ich starrte zurück. Marnie wurde rot und schaute rasch wieder weg. Aber Hillary hielt meinem Blick eine ganze Zeit lang stand, bevor sie ihren Stuhl zurückschob, sich erhob, ihr Haar zurückwarf und ging. Marnie spielte noch einen Moment beklommen mit ihrer Wasserflasche herum, stand dann jedoch ebenfalls auf und folgte Hillary.
Ich saß erst einmal nur da und versuchte zu verarbeiten, was ich gerade gehört hatte. Blickte zu Emily hinüber, die mittlerweile auf einem Stuhl am anderen Ende des Raumes saß. Ihre Mutter, die neben ihr stand, sagte mit ernsthaftem Gesicht etwas zu Mrs McMurty. Die nickte. Mrs Shuster hatte ihre Hand auf Emilys Schulter gelegt unddrückte sie ab und zu. Der Stoff ihrer Bluse kräuselte sich unter der Berührung und wurde wieder glatt. Kräuselte sich, wurde wieder glatt.
Ich schloss die Augen und schluckte den Kloß runter, der mir im Hals steckte.
Sie hat es gestern Abend mit Will Cash getrieben. Sophie ist ausgeflippt. Dabei war Emily angeblich ihre beste Freundin. Man kann eben niemandem trauen.
Nein,
dachte ich.
Kann man nicht.
Die letzten paar Monate gingen mir durch den Kopf. Der Sommer, in dem ich ganz allein nur still vor mich hin gelebt hatte; wie einsam ich zu Schulbeginn gewesen war; der Horrortag auf dem Schulhof, als ich Sophie von mir stieß. Vielleicht hätte ich nichts davon wirklich verhindern oder verändern können. Aber jetzt, wo es zu spät war, wurde mir klar, dass das nicht unbedingt stimmte und ich möglicherweise doch etwas hätte verhindern oder verändern können. Jedenfalls
eine
Sache.
Ich versuchte wieder zu lernen. Oder an Owen zu denken und wie es wohl mit uns weitergehen würde. Aber jedes Mal, wenn es mir gelang, mich vorübergehend abzulenken, ertappte ich mich dabei, wie ich doch wieder aufsah und zum entgegengesetzten Ende des Garderobenspiegels blickte, wo Emily saß. Sie war so spät gekommen, dass sie sich schwer mit ihr beeilen mussten. Eine Haarstylistin und jemand fürs Make-up arbeiteten deshalb parallel und versuchten tapfer, sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Außerdem herrschte mittlerweile die totale Hektik, denn der Countdown bis zum Beginn der Modenschau lief. Zwischen Emily und mir wuselten ständig irgendwelche Leute herum, die sich lautstark unterhielten. Aber Emily blickte starr geradeaus in den Spiegel. Sah nur sich an, sonst niemanden.
Als sie uns aus der Garderobe zu unserem Auftritt riefen, ging sie nicht mit dem Rest von uns zusammen. Stattdessen tauchte sie erst auf, nachdem wir anderen schon unsere Plätze eingenommen hatten, und stellte sich in die Reihe. Sie war die Zweite, drei Positionen vor mir. Eine Uhr an der großen Infotafel in der Mall zeigte 6:55. Viele Bundesstaaten und Meilen entfernt von mir bereitete Kirsten sich in diesem Moment ebenfalls vor, um ihren Film vorzuführen. Mir schossen Bilder des grünen, grünen Grases
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