Just Listen - Roman
Monitorbereichs.
Ich fragte, vielmehr schrie: »Was ist das denn?«
»Die Leute nennen sich
Melisma
«, brüllte er mir über einen wahren Bassdonner hinweg entgegen, der so laut war, dass mein Sitz wackelte. Im Wagen nebenan drehte sich eine Frau, die sich damit abmühte, ihren zappelnden Hosenmatz auf dem Autositz abzusetzen und anzuschnallen, nach uns um. »Ist keine richtige Gruppe, sondern ein Musikprojekt. Die Streicher – sind die nicht echt verschärft? – werden per Synthesizer neu abgemischt und mit diverser Percussion, aus der World Music entlehnt, unterlegt. Das Ganze ist beeinflusst von …«
Seine Worte wurden von einem abrupt einsetzenden, stakkatoartigen Trommelrhythmus überdeckt. Dass er weiterredete, erkannte ich nur an seinen Lippenbewegungen.Als der Lärm endlich etwas nachließ und ich ihn wieder verstehen konnte, sagte er gerade: »... außerdem ist diese neue Musikinitiative ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Irre, was?«
Bevor ich antworten konnte, ertönten dröhnend Zimbeln, worauf ein zischendes Geräusch folgte. Man mag es Reflex nennen oder Selbstschutz oder schlicht gesunden Menschenverstand – jedenfalls hielt ich mir unwillkürlich die Ohren zu.
Owen starrte mich entgeistert an. Erst da wurde mir bewusst, was ich getan hatte. Ich nahm die Arme herunter. Im selben Moment hörte das Stück so unvermittelt auf, dass meine Hände mit einem unüberhörbaren Platsch rechts und links von mir auf den Sitz plumpsten. Ein ziemlich lautes Geräusch. Besonders im Vergleich zu dem ungemütlichen Schweigen, das sich nun einstellte.
»Du hast gerade nicht deine Ohren zugehalten, oder?«, fragte Owen schließlich mit gepresster Stimme.
»Nur aus Versehen. Ich wollte bloß –«
»Das ist echt kein Spaß mehr.« Kopfschüttelnd streckte er die Hand aus, schaltete die Anlage ab. »Ich meine, es ist okay, wenn man etwas ablehnt.
Nachdem
man zumindest respektvoll zugehört hat. Aber gleich den Daumen zu senken und dem Ganzen nicht einmal eine Chance zu geben …«
»Ich habe dem Stück eine Chance gegeben!«
»Das nennst du Chance? Das waren gerade mal fünf Sekunden!«
»Lang genug, um mir eine Meinung zu bilden.«
»Und die wäre?«
»Was wohl? Schließlich habe ich mir die Ohren zugehalten.«
Er wollte etwas erwidern, ließ es aber, schüttelte bloß stumm den Kopf. Die Frau in dem Kombi neben uns parkte gerade rückwärts aus, rollte langsam an Owens Fenster vorbei.
»Melisma«
, meinte Owen schließlich, »ist innovativ und konzeptionell perfekt durchstrukturiert.«
»Falls du mit durchstrukturiert meinst, dass es unmöglich ist, sich diesen Krach anzuhören, stimme ich dir zu.«
» B-Jargon !« Vorwurfsvoll zeigte er mit dem Finger auf mich. Ich zuckte die Achseln. »Ich fasse es nicht, was du da von dir gibst!
Melisma
ist die perfekte Synthese von Instrument und Technik! Etwas, das so noch nie irgendwer je gemacht hat! Dieser Sound ist schlicht der Wahnsinn!«
»Vielleicht in der Autowaschanlage«, murmelte ich.
Er hatte eigentlich tief Luft geholt, um mit seiner Predigt fortzufahren, atmete jedoch mit einem lauten Zischen wieder aus und drehte den Kopf, sodass er mir direkt ins Gesicht sah. »Was hast du gerade gesagt?«
So wie es mir nicht wirklich bewusst gewesen war, dass ich mir die Ohren zugehalten hatte, war mir auch diese Bemerkung einfach entschlüpft, ohne dass ich groß darüber nachgedacht hätte. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der ich peinlichst genau auf alles achtete, was ich in Owens Gegenwart sagte oder tat. Offenbar machte ich das inzwischen nicht mehr. Was entweder ein ziemlich gutes oder ziemlich schlechtes Zeichen war. Und wenn ich seinen Gesichtsausdruck richtig deutete – eine Mischung aus Entsetzen und Beleidigtsein –, beschlich mich das dumpfe Gefühl, es wäre wahrscheinlich Letzteres. Jedenfalls jetzt, in diesem Moment, heute.
»Ich sagte …« – ich räusperte mich – »... in einer Autowaschanlage klingt es möglicherweise ganz toll.«
Ich spürte, dass er mich nach wie vor mit Blicken durchbohrte,und zupfte leicht nervös an den Kanten meines Sitzpolsters herum.
»Und was bedeutet das?«
»Du weißt, was.«
»Nein, wirklich
nicht
. Klär mich auf.«
Logo, dass er es nicht dabei bewenden lassen würde, sondern eine Erklärung einforderte. »Nun ja, alles klingt doch besser, während man durch eine Waschanlage fährt. Ist so eine Art Naturgesetz.«
Er schwieg, blickte mich nur weiterhin
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