Just Listen - Roman
sorgfältig im Auge, wie immer, wenn sie durcheinander war oder sich aufgeregt hatte. Hatte Angst, ich könnte außer den mir so vertrauten Zügen noch etwas anderes in ihrer Miene entdecken. Etwas, das ich wiedererkennen würde.
»War einiges los bei uns daheim«, sagte ich zu Emily. »Habe ich etwas verpasst?«
»Nein, war noch nichts Besonderes«, erwiderte sie. »Hast du zufällig Sophie schon gesehen?«
Ich blickte mich um in dem Gewühl um uns herum und entdeckte sie schließlich im Wohnzimmer. Sie saß mit gelangweilter Miene auf einer kleinen Couch am Fenster.
»Da drüben.« Ich nahm Emily einen der Becher aus der Hand und arbeitete mich langsam durch die Menge zu Sophie vor. »Hey«, rief ich ihr in dem mühsamen Versuch zu, das Geräusch eines in der Nähe stehenden Fernsehers zu übertönen. »Was geht ab?«
»Nichts«, antwortete sie knapp. Zeigte auf das Bier. »Für mich?«
»Vielleicht«, sagte ich. Sie verzog das Gesicht. Ich reichte ihr den Becher, setzte mich neben sie. Sophie trank einen Schluck; ihr Lippenstift blieb am Becherrand haften.
»Super-Top, Annabel. Ist das neu?«, fragte Emily, die sich hinter mir durch die Leute gedrängelt hatte.
»Ja. Kann man so sagen.« Ich strich mit der Hand über das pinkfarbene Wildleder. Meine Mutter und ich hatten das Top am Tag zuvor bei
Tosca
entdeckt. Es war teuer gewesen, aber wir fanden den Preis gerechtfertigt, vor allem, wenn man bedachte, dass ich es den ganzen Sommer über würde tragen können. »Ich habe es erst seit dieser Woche.«
Sophie atmete hörbar aus und schüttelte missbilligend den Kopf: »Das ist die mit Abstand mieseste Endlich-ist-die-Schule-vorbei-Party, die wir je hatten.«
»Komm, ist doch gerade mal halb neun.« Ich sondierte kurz die Lage. In einem Sessel in unserer Nähe knutschte ein Pärchen rum; im Esszimmer hockte eine Gruppe Leute um den Tisch und spielte Karten. Von irgendwoher – vermutlich aus einem der hinteren Räume – drang Musik.Die Bässe dröhnten unter unseren Füßen. »Da geht noch was.«
Sophie nahm einen weiteren, tiefen Schluck Bier. »Das bezweifle ich. Wenn diese Party so was wie ein Vorzeichen ist, wird das garantiert der mieseste Sommer aller Zeiten.«
»Meinst du?« Emily klang überrascht. »Draußen standen einige süße College-Typen.«
»Und du würdest tatsächlich mit einem Studenten ausgehen, der auf einer Schülerparty rumlungert?«, konterte Sophie.
»Nein, stimmt schon, nicht direkt.«
»Ich sag’s doch: lahm.«
Links von uns wurde es plötzlich ziemlich laut. Ich drehte mich um. Eine ganze Gruppe Partygäste trampelte geräuschvoll durch die Haustür in den Flur. Ich entdeckte ein Mädchen, mit der ich Sport hatte, sowie ein paar Jungs, die ich nicht kannte. Das Schlusslicht der Neuankömmlinge bildete – Will Cash.
»Na siehst du, wird doch schon besser«, sagte ich zu Sophie. Doch anstatt sich zu freuen, schnitt sie eine abfällige Grimasse.
Die beiden hatten sich einige Tage zuvor mal wieder gezofft, aber ich dachte, die Sache wäre geklärt, jedenfalls so weit, wie zwischen ihnen je irgendetwas geklärt werden konnte. Offenbar hatte ich mich geirrt. Will nickte Sophie nur knapp zu, ehe er den Leuten, mit denen er gekommen war, den Gang hinunter zur Küche folgte.
Als er außer Sichtweite war, setzte Sophie sich auf und schlug die Beine übereinander. »Alles Scheiße«, verkündete sie. Dieses Mal widersprach ich tunlichst nicht.
Stattdessen stand ich auf, streckte ihr eine Hand entgegen. »Komm, wir drehen mal eine Runde.«
»Nein«, sagte sie brüsk. Emily, die schon im Aufstehen begriffen gewesen war, setzte sich wieder.
»Sophie.«
Sie schüttelte den Kopf. »Geht ihr nur. Viel Spaß.«
»Du willst also einfach hier sitzen bleiben und schmollen?«
»Ich schmolle nicht.« Ihre Stimme klang kalt. »Ich sitze hier nur.«
»Wie du willst«, sagte ich. »Dann hole ich mir mal ein Bier. Möchte jemand von euch auch noch was?«
»Nein.« Sophie starrte Richtung Esszimmer, wo Will sich mit dem Typen am Tischende, der die Karten austeilte, unterhielt.
»Magst du mitkommen?«, fragte ich Emily. Sie nickte, stellte ihr Bier auf dem Couchtisch ab und folgte mir auf den Flur hinaus.
»Ist sie okay?«, fragte sie mich, sobald wir außer Hörweite waren.
»Klar.«
»Aber sie wirkt genervt, vielleicht sogar sauer. Bevor du gekommen bist, hat sie kaum ein Wort mit mir gewechselt.«
»Sie taut schon auf. Du kennst sie doch.«
Wir gingen durch die Küche
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