Just Listen - Roman
Wahrscheinlich um meine Scheu und Unsicherheit auszugleichen.
»Ach ja?« Seine Stimme klang ebenfalls vollkommen ausdruckslos.
Erneut wurde ich rot. »Ich sollte allmählich zu Sophie rübergehen«, stammelte ich. »Wir sehen uns sicher noch, denke ich.«
Er nickte. »Ja. Bis dann.«
Diesmal wartete ich nicht darauf, dass sich eine Lücke im Gedränge auftat. Ich quetschte mich einfach vorwärts, prallte gegen einen Typen aus unserer Football-Schulmannschaft, nutzte die Gunst der Stunde und schlängelte mich in seinem Windschatten zurück zur Küche. Emily stand an der Theke mitten im Raum, Handy am Ohr.
»Wo hast du gesteckt?«, fragte sie, klappte das Handy zusammen und verstaute es in ihrer Tasche.
»Nirgends. Los, komm.«
Als wir ins Wohnzimmer traten, saß Sophie immer noch auf der Couch. Aber sie war nicht mehr allein. Will hockte neben ihr; es sah schwer nach einem neuerlichen Streitaus. Sophie redete mit verkniffenem Gesicht auf ihn ein. Will hingegen schien ihr nur mit halbem Ohr zuzuhören. Während sie sprach, schweifte sein Blick ununterbrochen durch den Raum.
»Die lassen wir besser in Ruhe und nerven nicht«, sagte ich zu Emily, »sondern kommen später wieder her. Ich muss sowieso mal für kleine Mädchen. Hast du eine Ahnung, wo hier Toiletten sind?«
»Ich glaube, ich habe da drüben eine gesehen.« Emily deutete den Flur entlang. »Komm mit.«
Es gab dort tatsächlich eine Toilette, aber auch die dazugehörige Schlange. Deshalb beschlossen wir, unser Glück im ersten Stock zu versuchen. Suchend liefen wir durch einen langen Korridor, als ich auf einmal hörte, wie jemand meinen Namen rief.
Ich blieb abrupt stehen und trat rückwärts an die offene Tür heran, an der wir soeben vorbeigegangen waren. Michael Kitchens und Nick Lester, zwei Oberstufler, mit denen ich mich ein ganzes Schuljahr lang zusammen durch Kunstgeschichte gequält hatte, standen in dem Raum hinter der Tür und spielten Poolbillard.
»Da staunst du, was? Ich sagte dir doch, ich habe Annabel gesehen!«, meinte Nick.
»Jajaja.« Michael, im Begriff, einen Stoß auszuführen, beugte sich über den Tisch. »Und ich Frevler dachte, du halluzinierst schon.«
Nick wandte sich mir zu und legte die Hand auf sein Herz. »Nein, es ist wahrhaftig Annabel. Annabel, Annabel, Annabel Greene.«
»Du hast mir versprochen, du lässt den Quatsch, sobald das Schuljahr vorbei ist«, sagte ich. Nick hatte seine Hausarbeit über Edgar Allan Poe gemacht und mich mit seinerDeklamiererei eben dieser Zeile fast in den Wahnsinn getrieben. »Aber das ist dir anscheinend praktischerweise entfallen …?«
»Nein.« Er grinste mich an.
Michael stieß an, die Bälle sprangen klackend auseinander. »Nick ist betrunken«, informierte er uns. »Sagt später nicht, ich hätte euch nicht gewarnt!«
»Ich bin nicht betrunken, sondern bloß gut drauf.«
»Gibt es hier oben irgendwo eine Toilette?«, fragte ich. »Wir haben schon überall gesucht.«
»Gleich da drüben.« Michael deutete auf das andere Ende des Raumes.
»Dann mal los«, sagte ich zu Emily, die hinter mir das Zimmer betrat.
»Das sind Nick und Michael.« Ich drückte ihr meinen Becher in die Hand. »Und das ist Emily. Bin gleich wieder da, okay?«
Sie nickte, wirkte aber leicht nervös. »Spielst du Billard?«, fragte Michael sie und zeigte dabei auf den Tisch.
»Ein bisschen«, antwortete Emily.
Er ging zur Wand, um einen Queue für sie zu holen. »Ja klar. Das sagst du jetzt so und dann schlägst du mich innerhalb der nächsten zehn Sekunden vernichtend.«
»Ja, sie hat diesen haifischmäßigen Billardblick an sich«, mischte Nick sich ein. Emily schüttelte lachend den Kopf. »Es sind immer die Stillen, die es in sich haben.«
»Ich bitte nur um ein bisschen Gnade«, sagte Michael zu Emily. »Das ist alles.«
Als ich zwei Minuten später von der Toilette zurückkam, schlug sich Emily nicht nur beim Billard wacker, sondern flirtete auch ausgelassen mit Michael, der offenbar nur zu gern darauf einstieg. Sprich: Mir blieb also bloß noch Nick.Er setzte sich auch prompt neben mich auf das Sofa, das in der Nähe des Billardtisches stand, und verkündete, er habe mir etwas zu sagen.
»Weißt du, jetzt wo die Schule vorbei ist …« – er trank einen Schluck von seinem Bier – »... sollst du endlich erfahren, dass mir durchaus bewusst ist, was du für mich empfindest.«
»Was ich für dich empfinde«, wiederholte ich.
»He, Alter«, rief Michael ihm vom
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