Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
Vom Netzwerk:
Gespräch auf Figur, Körperbewusstsein und Ähnliches lenken können. Deshalb zerbrach ich mir den Kopf auf der Suche nach etwas anderem. Kino? Der morgendlicheVerkehr? Mir fiel nichts ein. Also saß ich bloß da. Und schwieg.
    Whitney ebenfalls. Es war nicht zu übersehen, dass sie längere Zeit nicht mehr am Steuer gesessen hatte. Sie fuhr übervorsichtig, blieb länger als nötig an Stoppschildern stehen, ließ lieber andere Autos überholen, als selbst einmal Gas zu geben, durchzustarten. An einer roten Ampel bemerkte ich, wie zwei Geschäftsleute in einem dieser aufgemotzten Geländewagen sie anstarrten. Beide trugen Anzüge; einer war um die zwanzig, der andere etwa so alt wie unser Vater. Ich ging innerlich augenblicklich in eine Art Verteidigungsstellung, wollte Whitney beschützen, obwohl mir klar war, wie sehr sie das gehasst hätte   – vorausgesetzt, sie hätte es gemerkt. Doch dann wurde mir klar, dass die beiden sie nicht deshalb musterten, weil sie so dürr war, sondern weil sie einfach auffiel. Ich hatte vergessen, dass meine Schwester das schönste Mädchen war, das ich kannte. Und der Rest der Menschheit   – oder zumindest ein Teil davon   – schien nach wie vor dieser Ansicht zu sein.
    Es war noch gut ein Kilometer bis zur Schule, als ich mich endlich dazu durchringen konnte, etwas zu sagen: »Und? Bist du aufgeregt?«
    Sie warf mir einen kurzen Seitenblick zu, sah dann wieder auf die Straße. »Aufgeregt? Warum sollte ich aufgeregt sein?«
    »Ich weiß nicht.« Wir fuhren gerade die Zufahrt zur Schule entlang. »Vielleicht, weil du weißt, dass du den ganzen Tag für dich hast.«
    Whitney gab zunächst keine Antwort, konzentrierte sich stattdessen auf die Bordsteinkante. »Einen Tag. Ich hatte einmal ein ganzes Leben für mich.«
    Mir fiel nichts ein, was ich darauf hätte erwidern können. Ein »Fein, wir sehen uns später« erschien mir zu flapsig, wenn nicht sogar total daneben. Deswegen öffnete ich bloß die Tür und langte nach hinten, um meine Tasche von der Rückbank zu nehmen.
    »Um halb vier hole ich dich wieder ab«, sagte sie.
    »Ist gut«, entgegnete ich.
    Whitney setzte den Blinker, warf einen Blick über ihre Schulter. Ich machte die Tür zu, sie fädelte sich in den Verkehr ein und fuhr davon.
    Den Rest des Tages über dachte ich kaum noch an Whitney. Am Nachmittag schrieb ich nämlich eine Englischklausur, wegen der ich ziemlich nervös war. Und zwar zu Recht, wie sich herausstellte. Denn obwohl ich die ganze Nacht durch gelernt und in der Mittagspause sogar Mrs Ginghers Wiederholungskurs über mich hatte ergehen lassen, war ich bei mehreren der gestellten Aufgaben mit meiner Weisheit am Ende. Ich konnte nichts anderes tun, als dazusitzen, auf das Papier zu starren und mich wie der letzte Schwachkopf zu fühlen, bis ich am Ende der Stunde abgeben musste.
    Als ich aus dem Hauptgebäude trat und die Stufen hinunterlief, um mich mit Whitney am Ende der Zufahrt zur Schule zu treffen, kramte ich meine Notizen hervor und fing an, sie noch einmal durchzusehen. Ich wollte herausfinden, welche Fragen ich bei der Klausur falsch beantwortet hatte. Auf der Zufahrt herrschte ein ziemliches Gewimmel, und ich war so vertieft, dass ich den geparkten roten Jeep erst sah, als ich unmittelbar davorstand.
    Gerade noch hatte ich die Aufzeichnungen, die ich mir zur Literatur des amerikanischen Südens gemacht hatte, nach einem Zitat durchforstet, das mir völlig entfallenwar   – im nächsten Augenblick starrte ich in Will Cashs Gesicht. Dieses Mal hatte er mich zuerst entdeckt und sah mir nun direkt in die Augen.
    Ich blickte rasch zur Seite. Und als ich am Kotflügel seines Jeeps vorbeilief, beschleunigte ich meine Schritte. Hatte schon fast den Gehsteig erreicht, als er mir nachrief: »Annabel.«
    Ich wusste, ich hätte ihn schlicht ignorieren sollen. Aber noch während ich das dachte, drehte sich mein Kopf instinktiv zu ihm um. Er saß am Steuer seines Jeeps, trug ein kariertes Hemd, war unrasiert und hatte seine Sonnenbrille so auf die Stirn geschoben, dass es aussah, als könnte sie jeden Moment runterrutschen.
    »Hallo«, sagte er. Ich war nahe genug an seinem Wagen, um die kühle Luft der Klimaanlage zu spüren, die aus dem Fenster waberte.
    »Hi.« Nur dieses eine Wort. Aber es wand sich, verknotete sich förmlich, während es sich durch meine Kehle quetschte.
    Will schien meine Nervosität jedoch überhaupt nicht wahrzunehmen, ließ einen Ellbogen aus dem Fenster gleiten und blickte

Weitere Kostenlose Bücher