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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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über den Schulhof, der hinter mir lag. »Hab dich in letzter Zeit auf keiner Party mehr gesehen. Gehst du überhaupt noch weg?«
    Eine Windbö streifte mich und erfasste meine Notizen, sodass sie im Wind flatterten, was sich wie das Schlagen kleiner Flügel anhörte. Meine Finger schlossen sich fester um das Papier. »Nein, nicht wirklich«, brachte ich schließlich heraus.
    Ein Frösteln zog meinen Nacken hoch und ich hatte das Gefühl, ich würde jeden Moment umkippen. Ich konnte ihn nicht ansehen, blickte zu Boden. Aber aus den Augenwinkelnnahm ich seine Hand wahr, die auf dem Rahmen des geöffneten Fensters lag. Und erwischte mich dabei, wie ich seine langen, spitz zulaufenden Finger anstarrte, die lässig auf das Türblech des Jeeps trommelten.
    Schsch, Annabel. Ich bin’s bloß.
    »Na dann. Man sieht sich«, meinte er.
    Ich nickte. Drehte mich   – endlich   – um. Ging davon. Atmete tief durch, versuchte mir zu vergegenwärtigen, dass ich, umgeben von so vielen Menschen, in Sicherheit war. Doch fast augenblicklich bekam ich auch schon den Beweis des Gegenteils geliefert: Mein Magen begehrte auf, gurgelte, alles kam mir hoch. Genau die Reaktion, die ich nie unter Kontrolle hatte.
Nein, bitte nicht!
, dachte ich, stopfte meine Unterlagen schnell oben in meine Tasche, nahm mir nicht die Zeit, sie zu schließen, zog sie bloß dichter über die Schulter an meinen Körper heran und startete durch, auf das nächstgelegene Gebäude zu. Betete, dass ich es so lange zurückhalten konnte, bis ich die Toilette dort erreichte. Oder zumindest außer Sichtweite war. Aber so weit kam ich leider nicht.
    »Was war
das
denn?«
    Sophie. Unmittelbar hinter mir. Ich blieb stehen. Was auch immer ich im Magen hatte, stieg unaufhaltsam hoch, Säure inklusive. Nach all der Zeit, in der sie immer nur
ein
Wort zu mir gesagt hatte, nun diese vier auf einmal zu hören, überwältigte mich förmlich. Und dann redete sie sogar noch weiter.
    »Was zum Teufel sollte das, Annabel?«
    Zwei jüngere Mädchen hasteten mit vor Neugier aufgerissenen Augen an uns vorbei. Ich umklammerte den Riemen meiner Tasche noch fester und würgte, schluckte, würgte.
    »Hast du in der Nacht damals nicht genug gekriegt? Brauchst du etwa noch mehr?«
    Endlich schaffte ich es weiterzugehen.
Pass auf, dass dir nicht schlecht wird, sieh nicht zurück, tu am besten gar nichts.
Das waren meine Gedanken, die ich innerlich wie ein Mantra wiederholte. Doch meine Kehle fühlte sich wie wund an und mein Kopf so leicht, dass sich alles drehte.
    »Jetzt tu nicht so, als wäre ich nicht da. Dreh dich endlich um, du Schlampe!«
    Alles, was ich wollte, alles, was ich je gewollt hatte, war wegzugehen. Irgendwo anders zu sein, mich wie ein kleines Tier zu verkriechen, in Sicherheit, unsichtbar, mit vier soliden Wänden um mich herum. An einem Ort, wo niemand war, der mich anstarrte oder mit dem Finger auf mich zeigte oder mich anschrie. Stattdessen stand ich wie auf dem Präsentierteller da; jeder konnte mich sehen. Ich hätte aufgeben können, wie jedes Mal in den vergangenen Wochen. Sollte sie doch machen, was sie wollte. Aber dann griff Sophie nach meiner Schulter.
    Und etwas in mir zerbrach. Ein harter, klarer Bruch, wie bei einem Knochen oder Ast. Ein Durchbruch. Noch ehe mir klar wurde, was ich da eigentlich machte, wirbelte ich herum. Sah ihr direkt ins Gesicht und stieß sie weg. Ich konnte kaum glauben, dass es
meine
Hände waren, die das taten. Aber ich stieß sie vor die Brust und nach hinten, so heftig, dass sie schwankte. Es geschah automatisch und spontan und überraschte uns beide. Aber am meisten überraschte es mich.
    Sie verlor den Halt, riss unwillkürlich erschrocken die Augen auf, fing sich aber schnell wieder und trat erneut dicht auf mich zu. Sie trug einen schwarzen Rock und ein hellgelbes Tanktop; ihre Arme waren sonnengebräunt unddrahtig; ihr Haar fiel in lockerer Fülle über ihre Schultern. »Ach du liebes bisschen«, sagte sie mit gedämpfter Stimme. Ich wich zurück, meine Füße fühlten sich wie Blei an. »Ich glaube, du solltest   –«
    Doch sie wurde unterbrochen. Um uns hatte sich eine Menschentraube gebildet, die Leute drängelten sich, um besser sehen zu können. Dennoch hörte ich durch den Tumult hindurch das Surren des Golfcarts, mit dem der Typ vom Sicherheitsdienst herbeidüste. »Auseinander«, rief er. »Alle weitergehen, Richtung Parkplatz oder Bushaltestelle.«
    Sophie rückte noch näher an mich heran. »Du bist eine

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