Just Listen - Roman
Mädchen, die bereits ins letzte Schuljahr gingen, hatten sich von den anderen abgesondert. Die eine hatte die Augen geschlossen und den Kopf in den Nacken gelegt; die andere blätterte in einem Pauk-Buch für die College-Aufnahmeprüfungen. Und schließlich war da noch Emily Shuster, die – ebenfalls allein – auf der anderen Seite des Raums saß, mir gegenüber.
Ich hatte Emily beim letztjährigen Kalender-Shooting kennengelernt. Sie war ein Jahr jünger als ich und damals gerade neu in die Stadt gezogen. Sie kannte niemanden, und während alle noch wartend herumstanden, kam sie auf mich zu und setzte sich neben mich. Wir fingen an zu schwatzen und plötzlich waren wir Freundinnen.
Emily war – mit einem Wort – süß: kurze, rote Haare, ein herzförmiges Gesicht. Ich schlug ihr eher beiläufig vor, abends nach dem Shooting mit Sophie und mir wegzugehen. Sie war wie elektrisiert. Als wir bei ihr zu Hause vorfuhren, stand sie bereits vor der Tür und wartete auf uns. Ihre Wangen waren von der kühlen Abendluft ganz rosig; offenbar hatte sie schon eine ganze Weile dort draußen gestanden.
Sophie war weniger begeistert. Im Klartext: Sie hatte Probleme im Umgang mit Mädchen, besonders, wenn es hübsche Mädchen waren. Dabei war sie selbst superattraktiv. Immer, wenn ich für
Lakeview Models
arbeitete oder sonst einen dicken Job ergatterte, bekam sie schlechte Laune. Im Laufe der Zeit hatte ich noch mehr Eigenschaften an ihr entdeckt, die mich leicht bis ziemlich nervös machten. Zum Beispiel, wie sie mich zuweilen anblaffte,und so tat, als wäre ich geistig etwas zurückgeblieben. Oder dass sie oft nur dann nett zu Leuten war, wenn sie sich einen Vorteil davon versprach oder sonst aus irgendeinem
Grund
. Und gelegentlich war sie sogar nicht einmal dann nett. Meine Freundschaft mit Sophie war, ehrlich gesagt, ziemlich kompliziert. Ab und an fragte ich mich selbst, warum sie eigentlich meine beste Freundin war. Denn mehr als einmal traute ich mich in ihrer Gegenwart nur auf Zehenspitzen zu gehen oder musste bewusst weghören, wenn sie eine ihrer spitzen Bemerkungen losließ. Aber dann erinnerte ich mich immer wieder daran, wie sehr mein Leben sich verändert hatte, seit wir befreundet waren. Nach der Nacht mit Chris Pennington war so viel passiert, das ich sonst niemals erlebt hätte. Außerdem hatte ich, genau genommen, außer Sophie sowieso keine anderen Freunde mehr. Auch dafür sorgte sie.
An dem Abend, nachdem ich Emily kennengelernt hatte, gingen wir auf eine Party ins
A-Frame
, ein Haus, das so genannt wurde, weil es die Form eines großen As hatte, etwas außerhalb der Stadt. Ein paar Jungs hatten es angemietet, die sich aus ihrer gemeinsamen Zeit an der
Perkins Day Private School
kannten beziehungsweise noch dort hingingen. Sie hatten eine Band namens
Day After
gegründet und blieben zum Teil auch nach ihrem Schulabschluss in der Gegend, spielten in diversen Clubs und versuchten, einen Plattenvertrag zu ergattern. In der Zwischenzeit veranstalteten sie fast jedes Wochenende Partys, bei denen sich sowohl Schüler der diversen Highschools unserer Stadt als auch die verschiedensten anderen Leute trafen, die in der Gegend wohnten.
Als wir drei an dem Abend auf der Party eintrudelten, fiel mir sofort auf, wie die Leute Emily anstarrten. Klar,sie war hübsch, sogar sehr hübsch. Aber es lag nicht nur daran. Mit Sophie und mir zusammen aufzutauchen – speziell mit Sophie, die nicht nur an unserer Highschool, sondern auch an der
Perkins Day
bekannt war wie ein bunter Hund –, verwandelte Emily auf Anhieb von der Newcomerin, für die sich kein Mensch interessierte, zu jemandem, den man unbedingt näher kennenlernen musste. Wir hatten noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zum Bierfass geschafft, als Greg Nichols, ein notorisch dreister Typ aus dem Jahrgang über uns, pfeilgerade auf uns zusteuerte.
»Hey Leute, was geht?«, fragte er.
»Verschwinde, Greg«, warf Sophie ihm über die Schulter hinweg zu. »Kein Interesse.«
»Sprich für dich selbst.« Er ließ sich nicht abschrecken. »Wie heißt deine Freundin?«
Sophie schüttelte bloß entnervt den Kopf.
Ich ging dazwischen: »Äh, mh, das ist Emily.«
»Hi«, sagte Emily und wurde rot.
»Aber hallo! Emily«, erwiderte Greg. »Kann ich dir ein Bier besorgen?«
»Okay.« Als er sich im Weggehen noch einmal nach ihr umdrehte, wandte Emily sich mit großen Augen an mich. »Wahnsinn, ist der süß!«
»Nein. Ist er nicht«, stellte
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