Just Listen - Roman
»Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein.« Ich faltete den Zettel zusammen, legte ihn neben mich. »Alles bestens.«
Er trat dichter an die Mauer heran und setzte sich direkt neben mich. Nicht ganz so nah wie am Tag zuvor. Aber auch nicht so weit weg wie sonst. Ich sah zu, wie er sein iPod aus der Hosentasche zog, sich auf den Händen abstützte, zurücklehnte und seinen Blick über den Schulhof, der vor uns lag, wandern ließ.
Ich wusste, dass meine letzte Antwort nicht ganz ehrlich gewesen war. Doch sofern ich den Mund hielt, würde er es nie erfahren. Außerdem hätte es ihn wahrscheinlich überhauptnicht interessiert. Dennoch verspürte ich aus irgendeinem Grund urplötzlich das Bedürfnis, »umzuformulieren und umzudirigieren«. Alles auszusprechen, wie es war.
Ich öffnete den Mund und sagte: »Es ist bloß wegen dieser Sache mit meiner Mutter.«
Er wandte den Kopf, musterte mich eindringlich. Hielt er mich schlicht für gaga? Oder kapierte er bloß kein Wort von dem, was ich sagte. »Sache?«, wiederholte er. »Nur damit du Bescheid weißt: ›Sache‹ ist einer der lahmsten Platzhalter überhaupt.«
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, dachte ich,
was sonst
? Setzte trotzdem an, es genauer zu erklären: »Es geht um meine Jobs als Model.«
»Model?« Er wirkte kurz irritiert, dann fiel es ihm wieder ein: »Ach ja, richtig, Mallory hat so etwas erwähnt. Du warst in irgendeinem Werbespot, richtig?«
»Ich jobbe schon als Model, seit ich ein Kind war. Meine beiden Schwestern übrigens auch. Aber in letzter Zeit ist mir klar geworden, dass ich lieber damit aufhören würde.«
Da. Es war passiert. Der Gedanke, der sich bislang nur in meinem Kopf geformt hatte, war raus. Und das auch noch vor Owen Armstrong. Ausgerechnet!
Allein das war bereits ein so großer Schritt für mich, dass ich an diesem Punkt ruhig hätte aufhören können. Aber warum auch immer – ich redete weiter.
»Es ist einfach ziemlich kompliziert, weil es meiner Mutter so viel bedeutet. Es würde ihr ziemlich viel ausmachen, wenn ich aufhören würde.«
»Aber du willst nicht weitermachen, oder?«
»Stimmt.«
»Dann solltest du es ihr sagen.«
»Bei dir klingt das so, als sei es das Einfachste von der Welt.«
»Ist es das nicht?«
»Nein.«
Gelächter ertönte; eine Gruppe Schüler aus der Unterstufe trat aus den Türen zu unserer Linken und unterhielt sich dabei in höchster Lautstärke. Owen schaute kurz zu ihnen hinüber, bevor er sich wieder mir zuwandte. »Warum nicht?«, fragte er.
»Ich streite mich nicht gern.«
Er warf einen vielsagenden Blick zu Sophie hinüber, die mit Emily auf ihrem gemeinsamen Stammplatz – Bank – saß. Dann wanderte sein Blick langsam zu mir zurück.
»Na ja«, fuhr ich fort. »Auf jeden Fall bin ich keine besonders
geschickte
Streiterin.«
»Was ist zwischen euch beiden eigentlich gelaufen?«
»Zwischen Sophie und mir?« Ich fragte nach, obwohl ich genau wusste, was er meinte. Er nickte. »Es gab da … Wir haben uns in den Sommerferien verkracht.«
Worauf er erst einmal schwieg. Mir war sonnenklar, dass er weitere Einzelheiten erwartete. »Sie denkt, ich habe mit ihrem Freund geschlafen«, fügte ich hinzu.
»Und, hast du?«
Logisch, dass er so unverblümt nachfragen würde. Trotzdem spürte ich, wie ich rot wurde. »Nein. Habe ich nicht.«
»Vielleicht solltest du ihr das sagen.«
»Das ist nicht so einfach.«
»Ach ja? Kann sein, dass ich total falsch liege, aber ich wittere hier ein durchgängiges Muster.«
Ich sah auf meine Hände und dachte insgeheim – nicht zum ersten Mal – darüber nach, wie simpel ich offenbar gestrickt war, wenn Owen in weniger als einer Woche so viel über mich herausfinden konnte. »Wenn du also ich wärst, würdest du –«
»Ehrlich sein«, vollendete er meinen Satz. »In beiden Fällen.«
»Du sagst das, als sei es total easy.«
»Ist es nicht. Aber du kannst es schaffen. Es erfordert nur etwas Übung.«
»Übung?«
»Beim Wutbewältigungstraining mussten wir dauernd diese Rollenspiele machen. Damit man lernt, Eskalationen zu vermeiden.«
»Du hast Rollenspiele gemacht?« Ich versuchte, mir das bildlich vorzustellen.
»Zwangsläufig. Es war eine Auflage vom Gericht.« Er seufzte. »Aber ich muss zugeben, dass es mir geholfen hat. Denn wenn wirklich einmal etwas in der Richtung passiert, hat man gleich eine Art Gebrauchsanweisung, wie man damit umgehen kann.«
»Klingt einleuchtend.«
»Okay.« Er rutschte ein Stück näher an mich heran. »Also,
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