Just Listen - Roman
das Armaturenbrett. »Mann, ist das ein Winzling.«
»Findest du? Ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Dabei bin ich eins zweiundsiebzig.«
»Ist das groß?«
»Dachte ich eigentlich.« Ich warf ihm einen Blick zu.
»Wie man’s nimmt. Ich bin eins neunzig«, entgegnete er und versuchte, seinen Sitz ein Stück nach hinten zu schieben. Doch der war schon bis zum Anschlag zurückgesetzt. Als Nächstes hob Owen den Arm, um ihn aus dem Fenster zu bugsieren. Aber der Arm war einfach zu lang für die Aktion. Deshalb rutschte er bei dem Versuch, den Arm vor seiner Brust zu drapieren, ein bisschen in seinem Sitz herum, ehe er schließlich aufgab und ihn an seinem Körper herabhängen ließ. »Ist eben alles relativ.«
»Alles okay bei dir?«
»Alles paletti«, erwiderte er locker, als wäre gar nichts groß dabei, keinen fahrbaren Untersatz zur Verfügung zu haben. »Danke fürs Mitnehmen.«
»Kein Problem. Du musst mir nur noch sagen, wo du hinmöchtest.«
»Nach Hause.« Erneut hob er den Arm und versuchte, es sich auf dem Beifahrersitz bequem zu machen. »Fahr einfach geradeaus. Du brauchst vorläufig nirgends abzubiegen.«
Ein paar Minuten lang fuhren wir, ohne uns zu unterhalten. Ich wusste, es war Zeit auszusprechen, was mir im Kopf herumging. Mich ihm zu erklären. Ich gab mir einen Ruck, holte tief Luft, da –
»Wie hältst du das aus?«, fragte er.
Was mich völlig aus dem Konzept brachte. »Wie bitte?«
»Es ist so ruhig hier. Leer.«
»Was meinst du?«
»Na, das da.« Er gestikulierte, deutete auf den Raum um uns. »In dieser Stille Auto zu fahren. Ohne Musik.«
»Um ehrlich zu sein, ist mir das noch gar nicht aufgefallen.«
Er lehnte sich zurück; sein Kopf prallte unsanft gegen die Kopfstütze. »Weißt du, mir fällt das sofort auf. Stille ist so verdammt laut.«
Das war entweder tiefgründig oder eine gründliche Mischung aus widersprüchlich und bescheuert – ich wusste nicht genau, was. »Meine CDs sind im Handschuhfach direkt –«
Doch er war schon dabei, es zu öffnen und einen Stapel CDs herauszunehmen. Als er sie durchsah, warf ich ihm einen verstohlenen Blick zu und wurde plötzlich nervös.
»Sind nicht unbedingt meine Lieblings-CDs. Liegen nur gerade zufällig hier herum.«
»Mh.« Er blickte nicht auf. Ich konzentrierte mich wieder auf die Straße. Die Hüllen klapperten, als er die CDs durchsah.»Drake Peyton, Drake Peyton … du stehst auf Hippierock? Wie die Typen aus den Studentenverbindungen?«
»Anscheinend«, sagte ich. Und dachte:
Eindeutig ein Minuspunkt für mich, oder?
»Habe ihn vorletzten Sommer live gesehen.«
»Mh«, machte Owen erneut. »Noch mehr Drake Peyton … und
Alamance
. Alternative Countrymusik?«
»Ja.«
»Interessant«, meinte er. »Hätte ich bei jemandem wie dir gar nicht vermutet … Tiny? Ist das sein neuestes Album?«
»Keine Ahnung. Ich habe es mir in den Sommerferien besorgt.« Ich hielt an einer roten Ampel.
»Dann ist es das Letzte.« Er schüttelte langsam den Kopf. »Ich gebe zu, ich bin überrascht. Ich hätte dich niemals für einen Tiny-Fan gehalten. Oder überhaupt gedacht, dass du auf Rap stehst.«
»Und warum nicht?«
Er zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Nur eine Unterstellung, schätze ich, und eine falsche dazu. Wer hat dir die gebrannt?«
Ich warf einen Blick auf die CD, die er in der Hand hielt, und erkannte die charakteristisch zur Seite geneigte Handschrift sofort. »Meine Schwester Kirsten.«
»Sie steht auf Classic Rock?«
»Seit der Highschool. Sie hatte jahrelang ein Jimmy-Page-Poster an der Wand hängen.«
»Ah ja.« Er sah sich die Titelliste durch. »Sie hat trotzdem Geschmack. Ich meine,
Led Zeppelin
ist zwar drauf, aber zumindest nicht
Stairway to Heaven
, sondern
Thank you
. Wenn ich einen Lieblingssong von
Led Zeppelin
habe, dann den.« Seine Stimme klang geradezu beeindruckt.
»Echt?«
»Echt. Löst dieses kitschige Gefühl aus, das Power-Balladen nun einmal an sich haben. Klingt ironisch, ist aber gleichzeitig authentisch. Darf ich die CD einlegen?«
»Klar. Danke, dass du fragst.«
»Man muss«, sagte er und beugte sich vor, um die CD in die Anlage zu schieben. »Nur ein echtes Arschloch fummelt ungebeten an der Anlage rum, wenn er bei jemandem im Auto mitfährt. So was macht man einfach nicht.«
Der C D-Player klickte ein paarmal. Dann ertönte leise Musik. Owen langte nach vorn zum Lautstärkeregler, blickte mich erneut fragend an. Erst als ich nickte, drehte er auf. Die
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