Just Listen - Roman
wieder drüber weg, wenn man enttäuscht worden ist. Sonst hätten wir uns alle längst aufgehängt, schätze ich.«
»Bitte?«
Darauf ging er jedoch nicht ein, sondern fragte stattdessen unvermittelt: »Und das Shanty?«
Ich sah ihn irritiert an.
»Die Männer, die davon singen, wie es ist, übers offene Meer zu segeln. Was hieltest du davon?«
»Schräg. Ziemlich schräg.«
»Schräg«, wiederholte er langsam. »Aha. Okay.«
In dem Augenblick hörte ich Stimmen, Schritte, die sich näherten. Ich drehte mich um. Sophie und Emily gingen gerade über den Schulhof. Was ich am Freitag zuvor mit Owen erlebt hatte, hatte mich so verwirrt, dass ich die Auseinandersetzung, die dem vorausgegangen war, während des Wochenendes komplett verdrängt hatte. Aber an jenem Morgen, auf der Fahrt zur Schule, kam mir alles wieder in den Sinn; während ich begann, darüber nachzudenken, was wohl geschehen würde, wenn ich Sophie begegnete, konnte ich fühlen, wie meine Anspannung mit jedem Meter, jeder Minute wuchs. Doch bis zu diesem Moment war ich ihr heute erst einmal über den Weg gelaufen. Und was war passiert? Sie funkelte mich zornig an, murmelte im Vorbeigehen ein leises »Schlampe«. Nichts Neues also.
Als sie jetzt allerdings zu mir herübersah, weiteten sich ihre Augen. Sie stupste Emily mit dem Ellbogen an. Und nun starrten beide zu uns her. Ich spürte, dass ich rot wurde. Rasch senkte ich den Blick, schaute auf meine Tasche, die vor meinen Füßen auf der Erde lag.
Owen bekam nichts davon mit. Er legte sein iPod weg und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Du hast keins der Technostücke gemocht? Ich meine, nicht einmal ein bisschen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Tut mir leid.«
»Es muss dir nicht leidtun, das ist eben deine Meinung. In der Musik gibt es weder richtig noch falsch und dazwischen einfach alles.«
Zu meiner Verblüffung klingelte es genau jetzt zur nächsten Stunde. Ich hatte mich so daran gewöhnt, dass sich die Mittagspause endlos hinzog – diese hingegen war wie im Flug vergangen. Ich steckte ein, was von meinem Sandwich übrig war. Owen hüpfte von der Mauer, stopfte den Player in die Hosentasche, griff nach seinen Kopfhörern.
»Also dann. Bis dahin«, meinte ich.
»Klar.« Er stülpte sich die Kopfhörer über.
Ich nahm meine Tasche, rutschte von der Mauer.
»Bis dann«, setzte Owen noch hinzu.
Während er davonging, warf ich erneut einen Blick zur Bank hinüber. Sophie und Emily belauerten mich nach wie vor. Sophie sagte gerade etwas, woraufhin Emily belustigt den Kopf schüttelte. Ich konnte nur erahnen, was sie gerade über uns erzählten, welche wilden Geschichten sie sich ausdachten. Doch keine konnte abstruser sein als die Wahrheit: dass Owen Armstrong und ich möglicherweise schlicht und einfach Freunde waren.
Während mir all das durch den Kopf ging, blickte ich ihm noch einmal nach und entdeckte ihn bei den anderen Schülern, die nach der Pause vom Hof strömten. Er hatte seine Kopfhörer auf, seinen Rucksack über die Schulter geschlungen und befand sich auf dem Weg zu dem Gebäude, wo der Kunstunterricht stattfand. Sophie und Emily beobachteten ihn ebenfalls, wovon er allerdings nichts mitbekam. Und falls doch, hätte es ihn garantiert nicht die Bohne interessiert. Worum ich ihn letztlich noch mehr beneidete als um seine Ehrlichkeit, seine Direktheit oder sonst etwas.
Den Job, für
Mooshka Surfwear
zu modeln, bekam ich letztlich doch nicht. Was ich weder furchtbar noch überraschend fand. Meine Mutter schien enttäuscht zu sein. Ichdagegen empfand nichts als Erleichterung, dass das Ganze vorbei war und ich mich auf neue Projekte konzentrieren konnte. Aber als ich am nächsten Tag in der Mittagspause meine Snacks etcetera auspackte, flatterte mir eine Notiz entgegen.
Annabel,
ich möchte dir nur sagen, dass ich wegen allem, was du bereits erreicht hast, sehr stolz auf dich bin. Lass dich von der Absage durch Mooshka nicht entmutigen. Linda meinte, die Konkurrenz sei sehr groß gewesen; du warst anscheinend in der engeren Wahl, sie fanden dich wirklich prima. Linda und ich werden uns heute treffen, sie hat nämlich schon etwas anderes für dich im Auge, das sehr interessant klingt. Heute Abend kann ich dir hoffentlich schon mehr erzählen. Ich wünsche dir einen schönen, erfolgreichen Tag.
»Schlechte Nachrichten?«
Ich schreckte hoch. Owen stand vor mir. »Was?«
»Du wirkst irgendwie gestresst.« Er deutete auf die Notiz in meiner Hand.
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