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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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nehmen wir mal an, ich bin deine Mutter.«
    »Was?!«
    »Ich bin jetzt deine Mutter. Und du erzählst mir, dass du mit Modeln aufhören möchtest.«
    Ich spürte, wie ich rot wurde. Schon wieder. »So etwas kann ich nicht.«
    »Warum nicht? Nimmst du mir das etwa nicht ab? Meinst du, ich bin kein guter Rollenspieler?«
    »Nein, das meine ich nicht   … es ist nur   –«
    »Bin ich nämlich. In meiner Gruppe wollten immer alle, dass ich ihre Mama spiele.«
    Ich sah ihn an. »Es ist nur so   … es ist nur so seltsam.«
    »Nein, schwierig. Es ist schwierig. Aber nicht unmöglich. Probier es einfach.«
    Vor einer Woche hatte ich noch nicht einmal gewusst, welche Augenfarbe er hatte. Jetzt kam es mir manchmal so vor, als gehörten wir zu einer Familie, jedenfalls zeitweise. Ich atmete tief durch.
    »Okay. Also   –«
    »Mama«, warf er ein.
    »Bitte?«
    »Je genauer und konkreter du die Übung machst, umso hilfreicher«, erklärte er. »Ganz oder gar nicht.«
    »Okay   …«, setzte ich erneut an, »...   Mama.«
    »Ja?«
    Das ist doch plemplem
, dachte ich im Stillen. Doch trotzdem sagte ich: »Mir ist bewusst, dass die Sache mit dem Modeln für dich wirklich wichtig   –«
    Er unterbrach mich mit einer Geste: stopp. »U und U: umformulieren, umdirigieren.«
    »Warum?«
    »Wegen des Wortes ›Sache‹. Wie schon gesagt, ist es der am häufigsten gebrauchte Platzhalter überhaupt. Nichtssagend, bedeutungslos, banal. Aber bei Auseinandersetzungen muss man sich so präzise wie möglich ausdrücken, um Missverständnisse zu vermeiden.« Er beugte sich noch etwas näher zu mir vor. »Ich weiß, es fühlt sich schräg an. Aber es funktioniert, Ehrenwort.«
    Was leider nur ein kleiner Trost war. Denn schon längst war mir nicht mehr nur unbehaglich zumute, ich hatte vielmehr das Gefühl, langsam, aber sicher eine unsichtbare Grenze zu überschreiten und mich auf die Art selbst total fertigzumachen. »Ich weiß, es ist sehr wichtig für dich, dass ich als Model arbeite, und dass es dir persönlich viel Freude macht.«
    Owen nickte und signalisierte mir fortzufahren.
    »Aber um ehrlich zu sein   …« Ich hob die Hand, steckte mir eine Haarsträhne hinters Ohr. »Es ist bloß so, dass ich in letzter Zeit ziemlich viel darüber nachgedacht habe, und ich merke   –«
    Das Problem war: Ich wusste, dass es sich nur um ein Spiel handelte. Eine Übung. Nicht die Realität. Dennoch fühlte ich mich wie festgeklemmt, wie ein Motor, der noch ein paarmal knallt, spuckt und knattert, ehe er endgültig absäuft. Ich steckte zu tief drin   – wenn ich versagte, käme nicht nur raus, dass ich mich nicht streiten
konnte
. Ich würde mich auch vor Owen blamieren.
    Er schaute mich geduldig wartend an.
    »Ich kann nicht«, sagte ich. Blickte zur Seite.
    »Aber du hattest es schon fast«, erwiderte er und schlug mit der Handfläche gegen die Mauer. »Du warst so kurz davor.«
    »Tut mir leid.« Ich nahm mein Sandwich in die Hand. Meine Stimme klang gepresst, als ich fortfuhr: »Ich kann   … das einfach nicht.«
    Er sah mich einen Moment lang nur an. Zuckte schließlich die Achseln. »Okay. Kein Problem.«
    Einen Augenblick lang saßen wir schweigend nebeneinander. Mir war nicht klar, was genau da gerade abgegangen war. Nur, dass es sich plötzlich doch nach einem Problem anfühlte. Dann hörte ich, wie Owen tief durchatmete.
    »Hör zu«, sagte er, »ich will dazu nur noch Folgendes sagen: Es zieht einen total runter, wenn man so etwas für sich behält und jeden Tag in diesem Zustand durch die Gegend rennt, dass man eigentlich so viel sagen will, es aber nicht kann. Nicht tut. Das macht einen doch kirre oder etwa nicht?«
    Ich wusste, er meinte das Modeln. Aber während ichihm zuhörte, musste ich unwillkürlich an etwas anderes denken. Das, was ich niemals zugeben würde. Mein größtes Geheimnis. Das, was ich niemals erzählen konnte. Denn wenn auch nur der kleinste Lichtstrahl darauf fiel, wenn auch nur das geringste bisschen davon nach außen drang, konnte ich es nie wieder wegdrücken.
    »Ich muss los.« Ich stopfte mein Sandwich in die Tasche. »Ich   … ich muss mit meinem Englischlehrer über mein nächstes Projekt reden.«
    »Aha.« Ich spürte, dass er mich beobachtete, erwiderte seinen Blick jedoch ganz bewusst nicht. »Schon klar.«
    Ich stand auf, griff nach meiner Tasche. »Wir, äh   … also, bis dann.«
    »Ja.« Er griff nach seinem iPod. »Bis dann.«
    Ich nickte. Und irgendwie schaffte ich es tatsächlich,

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