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Just Listen - Roman

Just Listen - Roman

Titel: Just Listen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Dessen
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uns entwickelte   – es gab zumindest ein paar Sachen, die nicht länger infrage gestellt wurden. Zuallererst einmal saßen wir nun ganz offiziell beieinander, nicht mehr eher zufällig. Zweitens moserte ich ihn jeden Mittag ein bisschen an, warum er nichts aß, worauf er sich jedes Mal mit dem Argument verteidigte, er habe sein Essensgeld in neue CDs investiert   – und dann teilten wir, was ich dabeihatte. Drittens fetzten wir uns. Beziehungsweise es war kein richtiges Fetzen, sondern wir
diskutierten
.
    Anfangs ging es überwiegend um Musik. Ohnehin Owens Lieblingsthema, das, was ihn am meisten bewegte. Sofern ich mit ihm einer Meinung war, war ich brillant, ja,erleuchtet. Falls nicht, hatte ich den definitiv schlechtesten Musikgeschmack der ganzen Welt. Die anregendsten, aber auch erbittertsten Wortgefechte fanden in der Regel am Anfang der Woche statt, wenn wir uns ausgiebig über seine Radiosendung unterhielten, die ich mir mittlerweile treu jeden Sonntagmorgen anhörte. Schwer zu glauben, dass es mich einmal ultranervös gemacht hatte, ihm offen zu sagen, was ich dachte. Inzwischen kam es mir vollkommen natürlich und selbstverständlich vor.
    »Das ist nicht dein Ernst«, sagte er eines Montags kopfschüttelnd. »Dir hat der Song von den
Baby Bejesuses
nicht gefallen?«
    »Der, der nur aus elektronischem Gepiepse bestand? Als hätten sie das Ganze auf Telefonwahltasten gespielt?«
    »Nicht nur elektronisches Gepiepse«, erwiderte er entrüstet. »Es gab jede Menge anderer Sound-Elemente.«
    »Zum Beispiel?«
    Er schielte eine Sekunde lang zu mir herüber; übrigens hatte er sich mittlerweile die Hälfte meines Truthahnsandwiches geangelt. »Zum Beispiel   ...« Doch dann unterbrach er sich und biss erst einmal in das Sandwich   – ein untrügliches Zeichen dafür, dass er Zeit schinden wollte. Nachdem er denn auch viel länger gekaut und geschluckt hatte als nötig, meinte er schließlich: »Die
Baby Bejesuses
sind absolut bahnbrechend für die Entwicklung des Techno.«
    »Dann sollten sie auch in der Lage sein, einen Song zu produzieren, für den sie mehr brauchen als eine Handytastatur.«
    »Das ist definitiv B-Jargon .« Anklagend zeigte er mit dem angebissenen Sandwich auf mich.
    » B-Jargon « bedeutete »beleidigende Formulierung« und hatte sich, wie »U und U« oder »Platzhalter«, längst zu einemTeil meines Alltagsvokabulars entwickelt. Wenn man nur genügend Zeit mit Owen verbrachte, nahm man ganz nebenbei kostenlos und unverbindlich an einem kompletten Wutbewältigungstraining teil.
    »Du weißt doch, dass ich nicht auf Techno stehe. Wäre also vielleicht besser, wenn du endlich damit aufhörst, mich nach meiner Meinung dazu zu fragen.«
    »Was für eine schäbige Verallgemeinerung«, konterte er. »Wie kannst du ein komplettes Genre verwerfen? Du ziehst voreilige Schlüsse!«
    »Tue ich nicht«, antwortete ich.
    »Was dann?«
    »Ich bin bloß ehrlich.«
    Er warf mir einen schrägen Blick von der Seite zu. Seufzte abgrundtief, biss ein weiteres Mal in das Sandwich, kaute. »Na gut, weiter im Text. Was ist mit dem Thrash Metal-Song von den
Lipswitches

    »Zu laut.«
    »Es muss laut sein! Sonst wäre es kein Thrash Metal!«
    »Der Lärm allein würde mich gar nicht stören, wenn diese sogenannte Musik irgendetwas Anderes an sich hätte, das einen dafür entschädigen würde, irgendeine andere Qualität. Aber da jault bloß jemand, so laut es seine Lungen hergeben.«
    Er schob sich das letzte Stück Brot in den Mund. »Ich fasse zusammen: kein Techno, kein Thrash Metal. Was bleibt?«
    »Alles andere?«
    »Alles andere«, wiederholte er gedehnt, war aber noch lange nicht zufrieden. »Okay, was war mit dem letzten Song, den ich gespielt habe. Der mit dem Glockenspiel?«
    »Glockenspiel?«
    »Ja. Von Aimée Decker. Da gab es einen Kontrabass und Jodeln am Anfang und   –«
    »Jodeln?
Das
war es also?!«
    »Wie jetzt? Magst du etwa auch kein Jodeln?«
    Auf die Tour ging es weiter. Wurde manchmal etwas hitzig. Aber nie so sehr, dass es außer Kontrolle geraten wäre. Und im Grunde freute ich mich auf meine Mittagspausen mit Owen. Und zwar mehr, als ich je zugegeben hätte.
    Im Laufe unserer endlosen Diskussionen über die frühe Punkszene, Big-Band   -Jazz, Swing sowie die angeblich vorhandenen Qualitäten des Techno erfuhr ich immer mehr über ihn. Ich wusste mittlerweile, dass er, obwohl er schon immer ein Faible für Musik gehabt hatte, erst seit der Scheidung seiner Eltern vor eineinhalb

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