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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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Unruhen in Gauteng im Jahre 1988 als vermisst gemeldet sind. Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen Herrn Rice und diesen vermissten Personen. Die Namenslisten, die bis jetzt bei allen zehn Mordopfern gefunden worden sind, sind die reinste Verleumdung.«
    Der Reporter unterbrach den Polizeipräsidenten höflich. »Es gibt Aussagen der Familien ...«
    Der Polizeichef wurde rot. »Das Gesetz kann sich nicht mit persönlichen Beschuldigungen beschäftigen!«, fauchte er den Reporter an. »Es liegen keine Beweise vor. Selbstjustiz ist in unserer Gesellschaft inakzeptabel. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Opfer unschuldig sind. Sie haben keine Menschen getötet. Nicht während der Apartheid und auch nicht danach. Das hier ist eine Schande!«
    »Vielen Dank, Herr Abbot«, beendete der Reporter das kurze Gespräch und drehte sich wieder zur Kamera. »Nach Angaben der Polizei gibt es immer noch keine Spur, die auf die Identität des Apartheid-Killers hinweist. Und jetzt zurück ins Studio ...«
    Milans Augenlider wurden plötzlich schwer. Es war spät und der heutige Tag war lang gewesen. Als im Studio der Nachrichtensprecher die nächste Meldung anmoderierte, konnte Milan sich nicht länger wach halten. Es bestand kein Zweifel daran, wovon er träumen würde: von Zeni Kumalo, dem Mädchen mit dem Sonnenschein im Gesicht.

Paradise Road
    Herr Stein war ziemlich sauer. Bereits vom anderen Ende des Flurs sah Milan es ihm an. Schon allein sein Gang verriet seinen aufgestauten Ärger. Der kräftige Geschichtslehrer schritt zielstrebig auf Milan zu und blieb abrupt vor ihm stehen.
    »Wieso warst du gestern nicht beim Training?«, fauchte er ihn barsch an.
    Milan versuchte, sich rauszureden. »Hat Alexander Ihnen nichts gesagt?«, tat er überrascht. »Ich musste zum Zahnarzt.«
    Steins Gesicht verfinsterte sich, seine Stimme wurde kratzig und laut. »Sag mal, hältst du mich eigentlich für blöde?«
    Milan senkte beschämt den Kopf. »Es tut mir leid«, gab er nach und entschied sich für die Wahrheit. »Ich musste dringend weg. Wegen eines Mädchens.«
    Stein deutete auf die beiden Helme, die Milan in den Händen trug. »Das habe ich mir schon gedacht. Ist sie wenigstens nett?«
    Milan lächelte erleichtert. »Ja, sie ist toll. Wirklich toll. Ich treffe sie gleich. Hoffentlich.«
    »Gut«, nickte Stein nicht weniger ernst. »Aber eins muss dir klar sein: Du darfst nicht noch einmal beim Training fehlen, verstanden? Nicht vor dem Wettkampf in Durban. Egal wie toll das Mädchen ist. Wir brauchen dich, das weißt du hoffentlich.«
    Milan nickte eifrig. Er war froh, dass Stein so viel Verständnis zeigte. »Es kommt nicht wieder vor«, sagte er. »Ich verspreche es Ihnen.«
    »Das ist gut. Dann wünsche ich dir heute noch viel Spaß. Und denk dran: Gut Ding will Weile haben. Lass dir Zeit mit dem Mädchen. Überstürz die Dinge nicht.«
    Milan bedankte sich für den Rat und eilte zum Parkplatz. Punkt siebzehn Uhr stand er an der Kreuzung vor Khayelitsha. Es war ein heißer Sommertag, doch im Schatten des Baumes war es etwas kühler. Er setzte sich auf den staubigen Bordstein. Ab und zu kam eine erfrischende Brise aus der Richtung des Indischen Ozeans, durchmischt mit dem Duft von gebratenem Fleisch. Am Rand der breiten Straße, die nach Khayelitsha hineinführte, standen zahlreiche Grillstände. Sie boten alles von brutzelnder Leber, saftigen Lammkoteletts bis hin zu gebratenen Schafsköpfen an. Die abgesägten Schafsköpfe grinsten breit, ein starrer Gesichtsausdruck, der beim Durchtrennen ihrer Kehle eingefroren war. Hinter Milan weidete eine einzelne Kuh auf einer Brache.
    Jetzt, wo er allein war, beachtete ihn kaum einer der Passanten. Die Leute gingen ihren Tagesgeschäften nach. Frauen mit Einkaufstüten, Männer mit Handwägelchen, Kinder in kleinen Gruppen. Niemand interessierte sich für ihn. Gelegentlich erblickte Milan die Umrisse eines Mädchens, das in seine Richtung lief. Jedes Mal hämmerte sein Herz wie die Drachenboottrommel bei voller Fahrt. Aber immer wieder entpuppte sich das näher kommende Mädchen als eine Unbekannte, nicht als die erhoffte Schönheit, die Milan erst am Tag zuvor kennenlernen durfte.
    Doch dann sah er sie, Zeni, hinter der Kreuzung, auf der anderen Straßenseite. Er konnte sich nicht täuschen, auch nicht aus der Entfernung. Sie trug ein schwarzes T-Shirt und dieselben Schuhe und Jeans wie am vergangenen Tag. Die Haare waren streng zurückgekämmt und zu einem Zopf zusammengebunden.

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