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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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nicht zurück. Ich will mich über das freuen, was ich habe, nicht immer das vermissen, was mir fehlt.«
    »Und damit geht die Wut auch weg?«, hakte Milan nach. Er konnte sich nicht vorstellen, dass man so etwas einfach »entscheiden« konnte.
    »Ich glaube, die Wut geht nie richtig weg«, sagte sie, und Milan hörte ihrer Stimme an, dass sie mit den Tränen kämpfte. »Aber so kann ich mit ihr leben. Zumindest die meiste Zeit.«
    Dann konnte sie ihre Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und fing an zu weinen. Milan legte seinen Arm sanft um Zenis Schultern. Mehr konnte er nicht tun, um sie zu trösten. Es gab nichts, was er sagen konnte, nichts, was er hätte tun können, um ihren Schmerz zu lindern. Die Vergangenheit ihres Landes band sie beide zusammen und lebte noch immer in ihnen.
     
    Zwei Stunden später hielt Milan an der verlassenen Kreuzung vor Khayelitsha an. Das geschäftige Treiben auf der Hauptstraße hatte sich zum größten Teil gelegt. Es war fast dunkel geworden.
    Milan drehte sich zu seiner Beifahrerin um. »Willst du hier absteigen?«, fragte er sie über das Geräusch des brummenden Motors hinweg.
    »Ich habe gedacht, du könntest mich vielleicht heute nach Hause fahren?«, rief Zeni zurück.
    Milans Herz machte einen Sprung. »Du musst mir nur sagen, wie ich fahren muss«, sagte er.
    Sie deutete mit dem Kopf auf die Hauptstraße. »Fahr einfach geradeaus.«
    Milan folgte ihrer Anweisung und fuhr direkt nach Khayelitsha hinein. Je tiefer er ins Township gelangte, desto nervöser wurde er. Obwohl es auch einige teure Autos auf der Straße gab, waren die Hütten und kleinen Häuser ziemlich heruntergekommen. Oft sahen die Buden aus, als wären sie über Nacht errichtet worden. Vor oder neben jeder Hütte hing Wäsche auf der Leine. Auf den Dächern lagen Steine, um das Wellblech im Falle eines Sturms festzuhalten. Über diesen provisorischen Dächern erstreckte sich ein dichtes Spinnennetz aus Telefonkabeln und hohen Masten. Stände an den Straßenrändern verkauften alles, von Zigaretten bis hin zu lebenden Hühnern, von Gemüse bis zu gefälschten Markenklamotten. Einige Menschen versammelten sich um die Telefoncontainer, andere saßen vor den Shebeens und tranken Bier.
    Als Milan in Ilitha Park hineinfuhr, stellte er fest, dass die wackligen Wellblechhütten durch ordentliche kleine Häuser ersetzt waren, vermutlich von der Regierung erbaut. Auch hier standen viele der Gebäude hinter hohen Mauern oder waren vergittert. Dass es in einem Stadtteil wie Khayelitsha viel Kriminalität gab, war Milan klar. Immerhin hatte das Township mit über einer Million Einwohnern eher die Dimension einer Großstadt. Trotzdem glaubte er an die Güte der Menschen. Die meisten Leute hier wollten nur in Frieden leben, ein Dach über dem Kopf und eine Mahlzeit auf dem Tisch haben.
    Mit einem Handzeichen deutete Zeni nach rechts. Milan bog von der Hauptstraße ab. Kurz vor der Eisenbahnstrecke machten sie eine Schleife und fuhren an einer Kirche vorbei, dann an einem Lebensmittelladen. Dahinter war eine Fläche, auf der Kinder spielten und Müll deponiert war. Schließlich bogen sie in eine kleine Straße namens Paradise Road ein. Hier tippte Zeni Milan auf den Oberschenkel und zeigte: »Dort wohne ich.«
    Zenis Haus war nicht eines der neu gebauten Häuser, sondern eine eingeschossige Hütte mit einem Wellblechdach und einem kleinen Vorgarten. Die Mauer zwischen dem Gehweg und dem Vorgarten war zwar zerbrochen, der Garten allerdings war liebevoll hergerichtet. Man hatte sogar einen Baum gepflanzt, was für die Gegend ungewöhnlich war. Außerdem blühte ein Strauch unter dem Baum, auch eine Rarität in Khayelitsha. Vor der Haustür hing ein Gitter schief in den Angeln. Das Fenster neben der Tür war mit einem grauen Vorhang zugehängt.
    Zeni stieg von der Vespa ab und zog den Helm aus. »Danke für den Ausflug«, sagte sie zum Abschied. »Es war sehr schön.«
    Milan zögerte und wusste nicht recht, wie er sich verabschieden sollte. Durfte er Zeni auf die Wange küssen? Oder sollte er ihr eher die Hand geben? War Körperkontakt überhaupt angebracht? Vor allem hier, vor ihrer Haustür?
    Er schaute zum Fenster. Der Vorhang bewegte sich fast unmerklich. Jemand beobachtete sie.
    »Soll ich morgen wieder an der Kreuzung auf dich warten?«, fragte er und versuchte die schemenhafte Gestalt hinter dem Vorhang zu ignorieren.
    Diesmal druckste Zeni nicht herum. »Ja, ich werde da

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