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Justice (German Edition)

Justice (German Edition)

Titel: Justice (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Fermer
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Natalie, nur Milan blieb im Bootshaus zurück. Er wollte allein mit Herrn Stein sprechen.
    Stein saß am Tisch und füllte den Antrag für den bevorstehenden Drachenbootwettbewerb in Durban aus.
    »Kann ich mit Ihnen reden?«, fragte Milan vorsichtig.
    Stein legte seinen Stift zur Seite und faltete die Hände. »Natürlich«, sagte er. Milans Stimme war anzuhören, dass es sich um etwas Ernstes handelte. »Jederzeit.«
    Milan wusste nicht so recht, wo er anfangen sollte. »Ich habe ein Problem. Es geht um meinen Großvater. Ich habe etwas bei ihm zu Hause gefunden. Er hat früher für die Regierung gearbeitet.«
    Stein zog überrascht die Augenbrauen hoch. »Tatsächlich? Was hat er denn gemacht?«
    Milan erzählte Herrn Stein von den Begebenheiten, die sein Opa jahrelang verheimlicht hatte. Der Geschichtslehrer hörte ihm aufmerksam zu und wirkte wenig überrascht. Als Milan fertig war, lächelte Stein seinen Schüler mitfühlend an und zuckte leicht mit den Schultern.
    »Es ging vielen Menschen wie deinem Großvater«, teilte er Milan seine Meinung mit. »Du solltest ihn nicht zu hart verurteilen.«
    »Aber er wusste auch damals, dass es falsch war!«, erwiderte Milan zornig. »Das macht es nur noch schlimmer.«
    »Das weiß ich nicht ...« Stein zuckte wieder mit den Schultern. »Ich glaube, du kannst nicht wissen, wie es damals war.«
    »Ich muss das trotzdem nicht akzeptieren.«
    »Was dein Großvater gemacht hat, haben damals viele getan. Wenn du ihn dafür verurteilen willst, dann urteilst du auch über Millionen andere Menschen.«
    »Aber Sie sagen doch immer: Wenn damals mehr Weiße Stellung bezogen hätten, dann wäre die Apartheid früher abgeschafft geworden.«
    Stein winkte ab. »Das ist nur eine Hypothese. Die Wahrheit sieht anders aus. Warum sollen Menschen etwas abschaffen, wenn sie persönlich davon profitieren? Wenn ihr Glück davon abhängt? Was dein Großvater gemacht hat, war damals gang und gäbe. Man muss es so sehen: Im Prinzip hat jeder mitgemacht, der Steuern bezahlt hat. Ich schließe mich da nicht aus. Und wer seine Stimme dagegen erhob, landete im Gefängnis oder wurde geächtet. Für die meisten war es einfacher, die Augen davor zu verschließen und der Propaganda der Regierung zu glauben. Nur so konnten die Weißen ihren Lebensstandard sichern.«
    Milan seufzte resigniert und senkte den Kopf. »Ja. Wie mein Großvater ...«
    Einen Augenblick lang schwiegen sie. Dann sagte Milan gequält: »Jetzt weiß ich nicht, ob ich Zeni davon erzählen soll.«
    Stein musste nicht lange nachdenken, um sich eine Meinung dazu zu bilden. »Natürlich sollst du das. Es wurde schon genug geschwiegen, findest du nicht? Du musst ihr alles erzählen. Und du musst mit deinem Großvater reden, auch wenn er es nicht will. Du darfst es nicht verdrängen. Damit wird es nicht besser. Du brauchst keine Angst zu haben. Frag deinen Großvater aus. Über alles, was du wissen willst: was er in den Trümmern gefunden hat, was er mit den Sachen gemacht hat, die er dort entdeckte, ob er heute das Gleiche machen würde ... Egal was, sprich mit ihm darüber. Auch im Beisein von Zeni. Bis ihr keine Geheimnisse mehr habt.« Er legte den Arm um Milans Schulter. »Irgendwann wirst du einen Schlussstrich darunter ziehen. Irgendwann werden wir alle einen Schlussstrich darunter ziehen können. Aber du brauchst Zeit. Und du musst etwas dafür tun.«
    Milan nickte gedankenverloren. Herr Stein hatte recht. Das Geheimnis würde ihn auffressen, wenn er es für sich behielte. Früher oder später würde Zeni seinen Großvater kennenlernen. Früher oder später würde Milan es ihr erzählen müssen. Es war nur eine Frage der Zeit. Vielleicht würde sie seinem Großvater sogar verzeihen können.
    Doch bevor Milan seine Beichte in Angriff nehmen konnte, stand die Hochzeit von Themba Mbete an. Nach seinem Gespräch mit Herrn Stein ging Milan nach Hause, duschte sich und zog sich für die Hochzeit um. Der schwarze Anzug, den ihm seine Eltern für die Hochzeit einer Cousine in Deutschland letztes Jahr gekauft hatten, stand ihm gut. Er hoffte, er sah damit nicht zu elegant für eine Hochzeit im Township aus, aber eine andere Wahl hatte er nicht. Dann machte er sich auf den Weg nach Khayelitsha.
    Die Kirche, in der die Eheschließung von Themba Mbete und Jacoline Sikali stattfinden sollte, war nicht weit von Zenis Haus in der Paradise Road entfernt. Es war aber keine richtige Kirche, so wie Milan sie aus der Stadt kannte, sondern ein

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