Justice (German Edition)
mittelgroßer karger Raum mit nur wenigen Fenstern, einfach und schmucklos. Normalerweise diente er der Gemeinde als Kinderkrippe. An die hundert Gäste füllten den Raum, sodass kaum noch jemand hineinpasste. Die Frauen und Kinder saßen auf weißen Plastikstühlen in der Mitte, getrennt von den Männern, die um sie herum an den Wänden standen.
Der Gottesdienst wurde hauptsächlich auf Xhosa gehalten. Themba Mbete trug einen gestreiften grauen Anzug mit einem schwarzen Seidenhemd und einer Fliege. Der Anzug war mit einer roten Rose am Revers geschmückt. Seine blau getönte Brille mit dem dünnen Goldrahmen verlieh ihm ein kultiviertes Aussehen. Seine Braut war klassisch gekleidet, mit einem schlichten weißen Kleid. Sie passten optisch gut zusammen. Seine Kinder aus erster Ehe, ein Acht- und ein Fünfjähriger, waren auch dabei. Der alte Pfarrer, der in einem zivilen Anzug und Krawatte statt Priesterrock gekleidet war, gebrauchte kaum englische Worte. Alle paar Minuten antwortete seine Gemeinde mit Gesang. Sie sangen so laut, dass die Gläser in den Fenstern vibrierten. Es war ein wundervoller Klang, voller Inbrunst, Fröhlichkeit und Lebensfreude.
Während der Messe kam sich Milan angenehm unsichtbar vor. Er war – wie Jessy angekündigt hatte – der einzige weiße Gast, aber alle schienen nur Augen für das Brautpaar zu haben. Außerdem war der Raum so voll, dass Milan sich gut hinter ein paar kräftigen Männern an der Seite verstecken konnte. Zeni saß mit ihren Schwestern und ihrer Mutter in der Mitte des Raumes, nicht weit von ihm entfernt. Immer wieder schaute sie mit einem scheuen Blick zu ihm herüber.
Als die Messe vorbei war, verließ die Gemeinde die Kirche und ging im Schneckentempo über die Straße zum Gemeindezentrum, wo der Empfang stattfinden sollte. Zeni kam auf Milan zu.
»Geht’s dir gut?«, erkundigte sie sich.
»Ja, prima. Das war fantastisch«, erwiderte Milan mit Begeisterung. Er war bemüht, sich nichts anmerken zu lassen. Während der ganzen Messe war ihm die Situation mit seinem Großvater nicht aus dem Kopf gegangen. Er kam sich vor wie ein Betrüger.
»Stimmt was nicht?«, fragte Zeni besorgt.
»Nein, es ist alles in Ordnung«, log Milan und versuchte sie zu beruhigen. »Wirklich. Ich bin nur ein bisschen nervös.«
Zeni wirkte nicht überzeugt. »Mach dir keine Sorgen, hier wird dir nichts passieren. Bleib einfach bei uns.«
Milan nickte dankbar. Zeni hatte seine bedrückte Stimmung falsch verstanden, jedoch wollte er sie nicht darüber aufklären. Nicht jetzt. Nicht bei der Hochzeitsfeier ihres Cousins.
Im Gemeindezentrum blieben Zeni und ihre Familie zunächst bei Milan und kümmerten sich rührend um ihn. Sie saßen zu fünft an der Seite und beobachteten die Festlichkeiten im großen Saal. Ständig kamen Leute auf sie zu und begrüßten Frau Kumalo und ihre Töchter fast wie bei einer Zeremonie. Nach den Formalitäten auf Xhosa wandten sie sich neugierig an Milan.
» Molo bhuti! Und wer bist du?«, wollten sie alle wissen.
Milan stellte sich als Freund der Familie vor, auch wenn nicht zu übersehen war, dass seine Anwesenheit etwas mit dem schönen Mädchen an seiner Seite zu tun hatte.
Sie schauten skeptisch von ihm zu Zeni, die prompt aus Schüchternheit den Blick senkte. Manche gaben ihm die Hand, manche kehrten ihm desinteressiert den Rücken zu, andere amüsierten sich köstlich über ihn.
»Du bist also nicht nur auf der Durchreise hier?«, sagte ein alter Mann, den Frau Kumalo als ihren Onkel vorstellte. Er zwinkerte Milan verschmitzt zu. »Willkommen in der neuen Heimat.«
Kurz darauf wurde das Hochzeitsbuffet eröffnet. Reis, Bohnen und Fleisch wurden aus drei riesigen Töpfen serviert, die auf einem wackeligen Klapptisch standen. Keine Delikatessen, aber sättigend und genug für die zahlreichen Gäste. Bier und Cola standen in Kästen daneben. Bald hatte Milan die Vorkommnisse des vorherigen Tages vergessen. Wie alle anderen machten Zeni und ihre Familie die Runde. Milan blieb an der Seite sitzen und aß aus seiner Plastikschüssel. Das Essen schmeckte ihm gut.
Sobald er allein war, kam eine kleine Gruppe junger Männer auf Milan zu, alle waren ungefähr im Alter des Bräutigams. Sie musterten ihn amüsiert.
»Der weiße Freund von Zeni Kumalo ...«, grinste der Mann, der vorne stand. Er trug eine Baskenmütze seitlich auf dem Kopf. Er reichte Milan grinsend die Hand. »Mein Name ist Xolani«, sagte er mit dem runden Schnalzlaut. »Kannst du
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