Justice (German Edition)
zusammen.
»Es tut mir leid, Milan. Nimm es bitte nicht zu schwer«, hatte sein Vater ihm gesagt, aber Milan wollte sich nicht beruhigen lassen. Sein Großvater war an der Zerstörung von District Six beteiligt. Er hatte die Großeltern von Zeni aus ihrem Haus vertrieben. Und dann all die Lügen. So viele Lügen.
»Wie kannst du es vor Mama geheim halten?«
Peter zuckte nur mit den Schultern. »Was würde es ihr helfen, wenn sie davon wüsste? Es ändert nichts.«
»Schlafende Hunde soll man nicht wecken«, meinte Werner, der dies offenbar auch jahrelang umgesetzt hatte. Er wollte die ganze Episode vergessen. Er schämte sich dafür.
Das Gespräch ging bis spät in den Abend hinein. Am Schluss konnte Milan seinem Vater und Großvater nur noch versprechen, darüber zu schlafen. Sie würden noch einmal darüber reden, ob sie Sabine informieren würden oder nicht. Keine überstürzten Entscheidungen. Anschließend ging Milan mit seinem Vater nach Hause, verschwand in seinem Zimmer und schloss die Tür hinter sich ab. Er fühlte sich betrogen und war wütend. Er legte sich auf sein Bett, schaltete den Fernseher ein und dachte über alles nach. Besonders über Zeni. Was würde sie dazu sagen, wenn er ihr davon erzählte? Würde sie ihn dafür hassen, ihn verlassen? Und wenn er nichts erwähnte? Könnte er damit leben, seine Freundin zu belügen? Milan zweifelte daran, jedoch war die Angst groß, Zeni zu verlieren.
Milan war so mit diesem Gedankengang beschäftigt, dass er kaum etwas vom neuesten Fall des Apartheid-Killers mitbekam. Der Täter hatte wieder zugeschlagen. Diesmal handelte es sich um den Mord an einem Mann aus Kapstadt. William Shilowa hieß er. Er war bereits das zweite schwarze Opfer des Serienmörders, was die Polizei von der Vermutung abbrachte, dass es sich bei den Taten nur um einen reinen Rasseakt handelte.
Es war allgemein bekannt, dass der Verstorbene in den 80er-Jahren für Umkhonto we Siwze gearbeitet hatte. William Shilowa war ein umjubelter Freiheitskämpfer. Umkhonto war der militärische Arm des Afrikanischen Nationalkongresses. Während der düsteren Tage der Apartheid führte Umkhonto militärische Einsätze und Sabotageakte gegen die weiße Minderheitsregierung durch. Er war meistens im Ausland stationiert, denn der ANC war innerhalb Südafrikas verboten.
Nach dem Zerfall des Apartheid-Regimes wurde William Shilowa Soldat bei der südafrikanischen Armee, wo er schnell zum Oberst avancierte. Ehemalige Umkhonto -Kämpfer jedoch warfen ihm vor, unter der Apartheid für den südafrikanischen Geheimdienst gearbeitet zu haben. Er sei ein Maulwurf gewesen, ein Betrüger, der zahlreiche Operationen verhindert und gefährdet hatte. Dabei habe er etliche Kollegen ans Messer geliefert. Die Vorwürfe stießen auf taube Ohren. Colonel Shilowa – wie er jetzt hieß – behauptete weiter, ein aufrichtiger Freiheitskämpfer gewesen zu sein, kein verdeckter Agent. Niemand konnte Beweismaterial vorlegen, um Shilowa zu verurteilen, und Shilowa selbst sah keinen Grund, vor die Wahrheits- und Versöhnungskommission zu treten.
Doch am Tatort im Zentrum Kapstadts wurde erneut eine Liste auf dem Todesopfer gefunden. Darauf standen die Namen der Umkhonto -Kämpfer, die bei zahlreichen Einsätzen ums Leben gekommen waren. Menschen, die angeblich wegen William Shilowa ums Leben gekommen waren.
Es war wieder kein unwiderlegbarer Beweis, aber das spielte keine Rolle mehr. Der Verurteilte war tot. Sein Scharfrichter hatte ihn für schuldig befunden, nur das zählte. Auch wenn manche Leute aus der schwarzen Bevölkerung es nicht einsehen wollten, kannte der Apartheid-Killer keine Hautfarbe. Er setzte sich nicht nur über die Rasse hinweg, sondern auch über das Gesetz. Der Apartheid-Killer machte sich zu Gott.
Die Hochzeit
»Glauben Sie, dass sie es verdient haben?«, fragte Alexander.
Herr Stein, an den die Frage gerichtet war, stand etwas abseits vom Drachenboot und überprüfte sorgfältig die Schwimmwesten. Ein frischer Wind vom Meer kam auf.
»Wen meinst du?«, antwortete der Trainer irritiert.
»Die Opfer des Apartheid-Killers«, erwiderte Alexander beharrlich. »Elf Tote, das ist eine stolze Zahl!« Er schaute dabei zu Milan. »Was meinen Sie, Herr Stein, waren sie wirklich alle schuldig?«
Einmal im Monat kümmerten sich Stein und eine Handvoll ausgewählter Schüler um die Instandhaltung des Drachenbootes. Zuerst hoben sie das große Boot aus dem Wasser, kippten es um und schrubbten die Algen von
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