Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)

Gürteltierbeta mühsam beigebracht hatte, wie er seine Klauen und Zähne als natürliche Waffen einsetzen konnte – umsonst. Das Wälzen der unzähligen Terabytes an Daten über Pollocks bisheriges Leben und seine früheren Fälle, die ihm Miss Presley zur Verfügung gestellt hatte – umsonst. Nein, so weit darf es nicht kommen.
    »Hab ich was im Gesicht?«, murmelte Pollock unvermittelt.
    Vor Schreck schnurrte Brunos gesamte Nackenhaut zusammen. »Du bist ja wach!«, quietschte er.
    »Was dagegen?«
    »Nein, nein. Ich … äh …« Bruno spürte seine Tasthaare zittern. »Ich wollte … nur … äh … einen … also … einen …«
    »Drink?«, flötete die Flugbegleiterin ihnen zu und rettete den Beta aus seiner Bredouille.
    Bruno schüttelte den Kopf, Pollock nickte enthusiastisch und klopfte ihm kumpelhaft auf die Schulter. »Verträgst du armer Wicht etwa keinen Alkohol?«
    »In Maßen schon.«
    »Na bitte.« Pollock winkte der Flugbegleiterin zu. »Wir hätten dann gern zwei Skullbreaker. Mit ordentlich Eis bitte.«
    Bruno rutschte tiefer in seinen Sitz. Die Vorstellung eines Absturzes hatte gerade schlagartig an Grauen verloren.

5
    27.09.3042 A.D., 11:15
    System: Sol
    Planet: Erde
    Ort: Lantis Island
    Die pure Dekadenz! Die insgesamt drei Skullbreaker, die Pollock inzwischen intus hatte, trugen nicht dazu bei, dass ihm der Anblick von At Lantis aus dem Kabinenfenster heraus irgendwie angenehmer war. Was würde die Kleine aus Whitechapel, die mich um einen Bump angebettelt hat, zu diesem Inselreich sagen?
    Wilbur Graeme Lantis hatte von Beginn seines ambitionierten Projekts an aufs Kleckern verzichtet und voll aufs Klotzen gesetzt. Als Keimzelle seines paradiesischen Rückzugsorts für die Elite hatte er eine ausrangierte Orbitalstation im zeitlosen Wagenraddesign auserkoren. Ihre Nabe ragte zwar bei weitem nicht so hoch in den Himmel wie einer der Megatürme der Global Cities, doch was diesem Bauwerk an Höhe fehlte, machte es durch seinen verschwenderischen Prunk wieder wett: Auf jeder einzelnen Plattform an der gigantischen Säule waren grünende Gärten und Parks angelegt worden, und knapp ein Drittel unterhalb der Spitze ergoss sich ein künstlicher Wasserfall einen halben Kilometer in die Tiefe. Rings um dieses Zentrum gruppierten sich kleinere Inseln mit blendend weißen Stränden, die von findigen Landschaftsarchitekten exakt an die exklusiven Wünsche ihrer Bewohner angepasst worden waren. Vom breitbeinigen Koloss als Zierde eines Yachthafens über eine Pyramide als stolzer Verweis auf die eigene Abstammung bis zu Küstenlinien, die in archaischen arabischen Schriftzeichen den Namen eines besonders egomanen Atlanters bildeten, war alles dabei. Wer superreich, aber wasserscheu war und trotzdem im Luxus von At Lantis schwelgen wollte, ließ sich sein Domizil einfach auf einer über den sanften Wogen des Meeres schwebenden Antigrav-Scheibe errichten. Von dort konnte man sicher auch die atemberaubenden Überholmanöver auf der Speed-Air-Rennstrecke besser verfolgen, die sich als liegende Acht über den Himmel spannte. Verbunden waren die unzähligen größeren und kleineren Areale von At Lantis durch ein weit verzweigtes Netz aus Brücken, über die wie winzige metallische Käfer automatisch gelenkte Fahrzeuge sirrten. Alles erweckte den Anschein einer perfekten Utopie, eines Orts, an dem sich selbstvergessene Götter tummelten, die nichts und niemanden zu fürchten brauchten. Pollock musste zugeben, dass die Verteidigungsanlagen dezent gehalten waren, aber wenn man wusste, wo man ungefähr nach getarnten Lafetten, eingefahrenen Geschütztürmen und verschlossenen Startluken für Abfangjäger Ausschau zu halten hatte, wurde man dennoch rasch fündig.
    Butterweich setzte der Privatgleiter auf einem Landeplatz dicht unter der blinkenden Spitze der Nabe auf. Pollock wartete, bis er die Hydraulik des Ausstiegs leise zischen hörte, dann stand er auf und stupste Bruno an. »Wir sind da. Alles klar?«
    Der Nacktmullbeta antwortete mit einem Zucken seines Unterkiefers, das man sehr wohlwollend als Nicken deuten konnte. Er hatte eine interessante Gesichtsfarbe – porzellanblass mit einem leichten Stich ins Bläuliche.
    Weichei. Pollock lächelte der Flugbegleiterin freundlich zu und trat hinaus ins grelle Sonnenlicht. In der Luft lag eine salzige Frische, die Pollock schmerzhaft daran erinnerte, wie lange er nicht mehr an einem Meer gewesen war. Oder über einem Meer … Er schloss die Augen und atmete tief