Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
legte den Kopf in den Nacken, bis er an das weiche Sesselpolster stieß. Und was ist auf diesem verdammten Ding so scheißwichtig, dass man dafür jemanden aus sicherer Entfernung per Knopfdruck umbringt? Er glaubte schlicht und ergreifend nicht an Trudys Hypothese von einem simplen Fehler im Überwachungssystem. Eventuell bin ich doch zu alt für diesen ganzen Kram.
Blind tastete er nach der Schüssel Krabbenchips auf der breiten Lehne zwischen sich und Bruno. Er verfehlte sie um mehrere Zentimeter, stieß gegen sein hohes Glas Gin Tonic und schüttete so Bruno den gesamten leckeren Restinhalt in den Schoß.
»Ups«, machte Pollock, während Bruno aufspritzte, um sich in bizarren Verrenkungen jenen Teil der Flüssigkeit von der Hose zu schütteln, der nicht sofort vom Stoff aufgesogen worden war.
Als sich Bruno grummelnd zurückzog, um aus der nassen Hose zu kommen, winkte ihm Pollock mit seinem leeren Glas nach. »Bringst du bitte Nachschub mit? Mein Hirn fühlt sich ganz trocken an.«
Danach versuchte Pollock, sich zusammenzureißen und sich noch einmal voll auf das Video zu konzentrieren. Die Aufzeichnung war just an jenem Punkt angelangt, an dem sich Carter einen neuen Drink eingoss und der wirrhaarige Tsoukalos den schlechten Scherz riss, der ihn wohl zumindest teilweise das Leben gekostet hatte. »Ohne mich hättest du diese Scheibe noch die nächsten hundert Jahre für den Mond gehalten«, sprach Pollock lippensynchron in die Stille hinein mit.
Und dann sah er es!
Ich bin so was von blind! Er hackte auf das Touchpad ein, um einen winzigen Moment zurückzuspulen und das Bild einzufrieren. Wie gebannt haftete sein Blick auf dem Beistelltisch, über den sich Carter beugte. Da! Und ich Idiot habe es die ganze Zeit übersehen! Bruno mit seinen scheelen Knopfaugen kann ich da kaum einen Vorwurf machen, aber ich, ich hätte es sofort sehen müssen …
Vor der reichhaltigen Auswahl an Flaschen mit diversen Spirituosen auf dem Beistelltisch standen sechs Gläser, von denen drei benutzt waren. Das eine hatte Carter gerade selbst dort abgestellt. Im anderen schimmerte eine bräunliche Neige. Whiskey? Sherry? Cognac? Auf jeden Fall ist da vor kurzem noch draus getrunken worden. Das galt auch für Glas Nummer Drei: Zwar war es leer, aber in ihm steckte ein Cocktailpiekser mit einer Olive daran. Ein Martini? Ein Greek Credit? Pollock stand auf und trat dicht vor die Projektion. Drei Gläser. Zwei Leute. Wenn nicht einer von ihnen beiden zwischendurch das Getränk gewechselt hat, muss da noch jemand drittes gewesen sein … oder Carter hatte unmittelbar vor dem allerletzten Gast seines Lebens noch einen anderen Besucher!
»Bruno!«, rief Pollock. »Bruno, ich hab’s! Ich hab’s gefunden!«
Der Beta kam ins Kino geeilt, auf Strümpfen, den Hosenstall noch offen. »Ist etwas passiert?«
»O ja.« Pollock grinste breit. »Mir ist jetzt klar, warum mir dieses Video zugespielt wurde.«
Während er Pollocks knapper Erklärung lauschte, knöpfte sich Bruno langsam die Hose zu. »Und dieser Hinweis ist so wichtig, dass man dafür seinen Überbringer beseitigt, obwohl der das Video angeblich nie selbst gesehen hat?«
»Anscheinend ist er das«, bestätigte Pollock. »Wer immer unser anonymer Informant auch sein mag, er wollte unbedingt, dass wir von Carters anderem Besucher wissen. Und das heißt, dass wir unsere nächste heiße Spur haben. Wir müssen nur noch herausfinden, wer vor Tsoukalos bei Carter gewesen ist.« Zufrieden fläzte er sich in seinen Sessel. »Darauf sollten wir anstoßen. Was ist eigentlich aus meinem nächsten Gin Tonic geworden, um den ich dich gebeten hatte?«
Bruno trollte sich mit einem gegrummelten: »Kommt sofort, der Herr.«
Während Bruno den Drink besorgte, rief Pollock auf seiner Multibox bei Trudy an.
»Zelle.«
»Pollock hier. Störe ich? Sie klingen beschäftigt.«
»Ich wühle mich gerade durch den Saustall, den unser Freund Lee in seiner Kabine hinterlassen hat. Der Kerl hat hier gehaust wie ein Wilder.« Trudys Empörung war nicht ungewöhnlich: Viele Justifiers – aktive wie ehemalige – hassten Schludrigkeit jedweder Art, weil Schludrigkeit im Feld tödliche Konsequenzen nach sich ziehen konnte. »Was kann ich für Sie tun?«
»Gibt es eine Ihrer Kameras, die den Eingang zum Apartment von Ippolito Carter abdeckt?«
»Moment. Bleiben Sie mal eben dran.«
Zwanzig Sekunden verstrichen, in denen Pollock sehnsüchtig zur Tür blickte und sich fragte, ob er Bruno als
Weitere Kostenlose Bücher