Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
der Platte vor sich nur unter Zuhilfenahme ihrer Krallen fein säuberlich filetierte, zeugte von jener Eleganz, die betafreundliche Lifestyle-Reporter immer ins Schwärmen brachte, wenn sie über Betas mit Genen von Katzenartigen berichteten. Die Blicke hier jedoch waren nicht von unverhohlener oder klammheimlicher Bewunderung geprägt. Aus ihnen sprach eine sonderbare Mischung aus Empörung und Stolz, Neugier und Ablehnung. Pollock kam sich vor, als wäre er mit einem berüchtigten Antikapitalisten an der Hand auf einem Vorstandsmeeting eines intergalaktischen Bankhauses erschienen. Als Freund der gepflegten Provokation bereitete ihm das nicht einmal das geringste Unbehagen.
»Man kann sie nicht übersehen«, sagte Cleo belustigt.
»Was?«
»Die Art, wie mich diese Leute ansehen.«
»Nehmen Sie es doch als Kompliment. Betas sind selten.«
»Selten«, schnurrte Cleo. »Wieder so ein Begriff, den Menschen oft für Tiere verwenden. Aber du hast ja Recht.«
Du? Pollock quittierte ihren Wechsel zur vertrauten Anrede mit einem verschmitzten Lächeln. »Und die Leute sehen sich nun einmal gern schöne Dinge an. Deswegen sind sie hier.«
Cleo wehrte die Schmeichelei mit einem Wink ihrer Hand ab, als würde sie eine Fliege verscheuchen. »Ich weiß genau, warum wir Betas bei den meisten Menschen ein unangenehmes Gefühl auslösen. Es ist nicht, weil wir so anders sind, sondern weil wir euch so ähnlich sind. Wir zeigen euch etwas auf, das ihr in der Regel verdrängt: dass die Grenze zwischen Mensch und Tier eine künstlich gezogene ist. Dass Menschen Tiere sind. Hoch entwickelte Tiere, ja, aber eben immer noch Tiere. Tiere, die sich Dinge wie Vernunft und Moral und Anstand ausgedacht haben, weil sie sich für ihre eigenen Triebe schämen. Wir Betas sind die greifbare, sichtbare Verkörperung all dessen, wovor ihr euch in euch selbst fürchtet.«
»Das sind kühne Worte für jemanden, der sich für Betarechte einsetzt«, sagte Pollock.
»Mag sein.« Cleo zuckte die Schultern. »Aber es ist die Wahrheit. Und ihr Menschen müsst dieser Wahrheit ins Gesicht sehen. Ihr werdet euch an uns gewöhnen müssen. Der Geist ist aus der Flasche. Ihr habt uns gemacht, und wir gehen nicht mehr weg.«
»Das ist eine noch steilere These«, erwiderte Pollock auch auf die Gefahr hin, aus einer bislang netten Plauderei endgültig eine ziemlich düstere Diskussion zu machen. »Es ist durchaus denkbar, dass unter den Menschen irgendwann ein stillschweigender Konsens entsteht, dass es ein schwerer Fehler war, jemals Betas zu erschaffen. Deppen wie diese Fanatiker, die nichts Besseres zu tun haben, als für ein an sich wünschenswertes Ziel dadurch einzutreten, dass sie Menschen massakrieren, fördern diese Entwicklung aktiv. Was, wenn sich die Kons darauf einigen, ihre Natus-Tanks stillzulegen? So, wie sie sich schon darauf geeinigt haben, keine Androiden mit menschlicher Intelligenz mehr zu bauen, weil man das damit verbundene Risiko nach einigen schmerzhaften Erfahrungen als zu hoch eingestuft hat? Dann könnte die Menschheit das Beta-Problem einfach aussitzen. Sechzig, siebzig Jahre, und die Sache wäre gegessen. Betas pflanzen sich schließlich nicht fort.«
Cleo leckte sich eine Kralle sauber und beugte sich ein Stück nach vorn, um Pollock tief in die Augen zu sehen. »Und du meinst ernsthaft, dass wir Betas keine Wissenschaftler kennen würden, die unseren Kampf um Gleichberechtigung unterstützen und schon emsig daran arbeiten, uns die Möglichkeit zu schenken, eigene Kinder in den Armen zu halten? Die Galaxis ist groß. Was macht dich so sicher, dass wir diese Hürde nicht schon längst genommen haben und an geheimen Plätzen die erste Generation Betas großziehen, die von Müttern geboren und nicht aus Tanks entnommen wurden?«
Eine Bedienung trat an den Tisch, um Pollock eine weitere Portion Sushi zu servieren.
»Magst du ihre Brüste?«, fragte Cleo, nachdem sich die Frau wieder zurückgezogen hatte.
»Was könnte man an ihnen nicht mögen?« Ist sie eifersüchtig?
» Ich horche nur nach, weil ich die Widersprüchlichkeiten menschlichen Verhaltens nach wie vor faszinierend finde«, erklärte Cleo. »Dieser Ort hier ist ein gutes Beispiel. Schöne, junge Menschen tragen ihre Reize zur Schau, und viele von denen, die diese Reize genießen, geraten darüber in sexuelle Erregung. Aber leben sie diese Erregung aus? Gehen sie auf die Objekte ihrer Begierde zu und signalisieren ihnen ihr Begehren? Oder lenken sie die Lust, die
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