Justifiers - Autopilot: Justifiers-Roman 7 (German Edition)
kann in den hintersten Zipfel des bekannten Universums.«
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29.09.3042 A.D., 16:34
System: Sol
Planet: Erde
Ort: Lantis Island, ehemalige Residenz von Colt Nadar
»Bevor ich zum eigentlichen Grund meines Anrufs komme, hätte ich erst noch eine Frage: Wie geht es unserem Patienten?«
Bruno hatte mit genau dieser Frage gerechnet, doch er zog dennoch den Hals ein, als Doktor Woo-Suk sie ihm stellte. Die Medizinerin mochte auf dem Monitor von Brunos Klapprechner nicht sonderlich groß erscheinen, doch das scherte seine Nacktmullinstinkte nicht: Im Umgang mit selbstbewussten Frauen sprangen in Bruno die Unterwürfigkeitsreflexe seiner animalischen Vorfahren an, die als einzige Säugetiere staatenbildend waren und in jedem weitverzweigten Bau eine eigene Königin besaßen. Ich muss ehrlich zu ihr sein. »Nach dem Anschlag auf ihn hat er mich einmal versehentlich Jost genannt. Das hat mich zunächst verunsichert, aber da er danach erschütternd unerschüttert wirkte, gehe ich davon aus, dass wir keine störende Überlagerung seiner kognitiven Matrizen zu befürchten haben.«
Doktor Woo-Suk atmete sichtlich auf, ein Anblick, der Brunos Herz wärmte. »Ich muss dir nicht erklären, was hier auf dem Spiel steht. Alliance hat viel Geld in Projekt Lazarus investiert, aber die Geduld der Vorstände ist begrenzt. Sie werden irgendwann Ergebnisse sehen wollen. Kommerziell verwertbare Ergebnisse.«
»Und das ist auch ihr gutes Recht.«
»Wie bitte?« Einen halben Ozean entfernt beugte sich Woo-Suk näher an die Kamera an ihrem Monitor.
»Und das ist auch ihr gutes Recht«, wiederholte Bruno ein paar Dezibel lauter. Warum flüstere ich eigentlich die ganze Zeit? Ich sitze in meinem Zimmer und habe extra die Tür abgeschlossen, falls er früher nach Hause kommt. Es kann rein gar nichts passieren.
»Ich möchte dich jedenfalls darum bitten, weiter genau auf alle Anzeichen zu achten, die auf eine Überlagerung oder gar einen Zerfall einer der beiden Matrizen hindeuten könnte«, verlangte Woo-Suk.
»Natürlich«, nuschelte Bruno servil.
»Ich kann mich hoffentlich darauf verlassen, dass du im Ernstfall nicht die passenden Griffe vergessen hast, die die richtigen Knoten in seinem Nervensystem ausschalten, bevor es zu einem Totalverlust kommt.«
»Absolut.«
»Ich habe mir das RNA-Modell angesehen, das du mir geschickt hast«, wechselte Woo-Suk abrupt das Thema. »Es wurde ohne jeden Zweifel von FullCorp gebastelt. Es handelt sich um ein maßgeschneidertes Produkt auf Basis eines simplen Herpesvirus. Offenbar wird es auch auf ganz ähnliche Weise übertragen – in erster Linie wohl über Schleimhautkontakt. Die Wahrscheinlichkeit einer Infektion allein durch den Konsum einer Flüssigkeit, in der das Virus in ausreichender Konzentration vorhanden ist, liegt meinen Schätzungen nach bei über 90 Prozent.«
Bruno stieß ein erschrockenes Pfeifen aus. Es ist ansteckend!
»Interessanterweise ist es augenscheinlich kein Produkt, das für den Einsatz am Menschen konzipiert wurde«, sagte Woo-Suk. »Seine Zusammensetzung legt vielmehr den Verdacht nahe, dass es ursprünglich auf die Verwendung bei Beta-Humanoiden zugeschnitten wurde.«
Bruno spürte seine Tasthaare schwingen und zittern wie dürre Äste in einem Hurrikan. »Jemand hat versucht, ein Virus zu bauen, mit dem man Betas auslöschen kann?«
»Nicht so voreilig«, ermahnte ihn Woo-Suk. »Zum einen ist das Virus sehr wohl auf den Menschen übertragbar und zeigt dann auch einen unübersehbaren Effekt. Zum anderen ist es kein biologischer Kampfstoff, zumindest nicht in Anbetracht seines ursprünglich angedachten Einsatzgebiets. Die Simulationen und die Tests am lebenden Objekt waren da ausgesprochen aufschlussreich.«
»Was macht dieses Virus im Körper eines Betas?«, fragte Bruno mit bebender Stimme.
»Es löst eine engere Vernetzung der Zellen im Corpus amgydaloideum aus, dem Teil des Großhirns, der unter anderem für die Verarbeitung von externen Reizen zwecks einer Analyse möglicher Bedrohungen zuständig ist. Die Amygdala ermöglicht es, dass ein Organismus die nötigen Warn- und Abwehrreaktionen zeigt, um sein Überleben in prekären Situationen zu sichern. Sie ist an einem immens wichtigen Prozess entscheidend beteiligt: der Wahrnehmung und Einordnung aller Formen von Erregung, also solchen Empfindungen, die mit Affekten und Lust in Verbindung stehen.«
Ich wünschte, ich hätte bei meinen Neurologieschulungen besser aufgepasst … Verschämt senkte Bruno
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