Justin Mallory 03 - Mallory und der Taschendrache
Umkreis«, antwortete sie. »Wenigstens dreißig davon sind klein genug für den, den Sie suchen.«
»Wie viele davon sind erst heute aufgetaucht?«
»So funktioniert das nicht«, versetzte Madame Fatima. »Ein Vertrauter kann jede gewünschte Erscheinung annehmen. Er könnte gestern ganz leicht eine Banshee oder Harpyie gewesen sein und heute ein Drache.«
»Womit Sie mir sagen möchten: Wenn ein Dutzend oder zwanzig Drachen dabei sind, die es gestern nicht waren …«
»… dann können sie sehr leicht gestern in anderer Gestalt hiergewesen sein«, schloss Madame Fatima. »Ich vermute, dass Sie einen nach dem anderen überprüfen müssen.«
»Ich habe nicht genug Zeit, um jeden Einzelnen aufzuspüren«, wandte Mallory ein. »Außerdem handelt es sich hierbei nur um eine Ahnung. Flauschie ist vielleicht gar nicht in Greenwitch Village. Ich hatte mir nur überlegt, dass es sinnvoll sein könnte, sie als Vertraute auszugeben.«
»Bringen Sie mir eine Schuppe, und ich sage Ihnen genau, wo Sie sie finden«, sagte Madame Fatima.
»Wenn ich ihr eine Schuppe abbrechen könnte, wüsste ich bereits, wo ich sie finde«, entgegnete Mallory.
»Na ja, dagegen kann man nichts einwenden.«
»Danke für Ihre Zeit«, sagte Mallory, »aber wir machen uns jetzt lieber wieder an die Arbeit.«
»Gestatten Sie mir einen Tipp«, sagte die Hexe.
Er blickte sie fragend an.
»Reden Sie mit dem Blinden Boris.«
»Dem Blinden Boris?«
»Man nennt ihn den Hexenmeister der Christopher Street. Gewöhnlich findet man ihn an der Ecke Christopher und Reue.«
»Danke«, sagte Mallory.
»Gestatten Sie mir einen weiteren Tipp.«
»Ich bin ganz Ohr.«
»Hören Sie auf, auf Flyaway zu setzen, wenn Sie dem Armenhaus fernbleiben möchten.«
Als sie Anstalten trafen, das Geschäft zu verlassen, blieb Jeeves vor einem kleinen, goldgerahmten Foto auf einem Ladentisch stehen und starrte es an.
»Stimmt irgendwas nicht?«, fragte Madame Fatima.
»Nein«, sagte Jeeves. »Mir erscheint nur irgendetwas an dieser fetten hässlichen alten Dame vertraut. Ich frage mich, wo ich sie schon mal gesehen habe.«
Madame Fatima nahm eine Cappuccinotasse zur Hand und warf sie nach seinem Kopf, den sie nur knapp verfehlte.
»Was hatte das zu bedeuten?«, wollte Mallory wissen.
»Ich lasse mich doch nicht im eigenen Geschäft beleidigen!«, schimpfte sie.
»Wovon reden Sie da?«
»Das hier«, antwortete sie und deutete an ihrem ranken und schlanken, sexy Körper hinab, »ist mein Geschäftskostüm. Das da «, fuhr sie fort, »ist meine echte Gestalt!«
»Es tut mir leid«, sagte Jeeves.
»Nun, das sollte es dir aber verdammt auch!«, blaffte sie, während ihr Gesicht und der ganze Körper langsam breiter, runzliger und schlaffer wurden. »Verschwindet jetzt, während ich meine Selbstbeherrschung zurückerlange.«
Mallory hielt die Tür für Jeeves und Felina auf. Während sie hinausgingen, drehte er sich zu Madame Fatima um.
»Er hat es nicht böse gemeint«, sagte der Detektiv.
»Das tun sie nie«, erwiderte sie, und eine einzelne Träne lief ihr über die rundliche Wange. »Es tut aber trotzdem weh.«
Dann war er wieder draußen bei seinen Begleitern.
»Ich weiß, dass es in dieser Gegend ein seltenes Gut ist«, sagte er zu Jeeves, »aber versuche, etwas Feingefühl zu zeigen, ja?«
»Was verstehe ich schon von Feingefühl?«, hielt ihm der Gremlin entgegen. »Mein ganzes bisheriges Leben war den Drachen gewidmet.«
»Was passiert, wenn man einen Drachen wütend macht?«
»Er greift einen an«, erklärte Jeeves.
»Eine Frau tut das Gleiche«, sagte Mallory. »Achte darauf, das nicht zu vergessen.« Er unterbrach sich. »Okay, gehen wir hinüber zur Christopher Street.«
»Hast du zuvor schon mal vom Blinden Boris gehört?«, fragte Jeeves.
»Nein«, sagte Mallory, »aber wie schwierig kann es schon sein, einen blinden Hexenmeister an der Ecke Christopher Street und Reue zu finden?«
Sie gingen los und erreichten alsbald eine Straße voller Maler und Malereien.
»Eine Kunstmesse«, stellte Jeeves fest, »aber niemand scheint sonderlich aufgeregt darüber.«
»Davon haben sie hier unten im Village um die dreihundert im Jahr«, gab Mallory zu bedenken. Er sah sich um. »Wohin zum Teufel ist sie diesmal verschwunden?«
»Felina?«, fragte Jeeves.
»Ja klar«, sagte Mallory und blickte durch das Gedränge auf dem Bürgersteig.
»He, Mister!«, sprach ihn ein junger bärtiger Mann in einem mit Farbe bekleckerten Kittel an. »Gehört
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