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Justiz

Justiz

Titel: Justiz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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Fenster, von dem aus man zu Jämmerlin hinüber sah. Dort hatten sich die Gäste versammelt, starrten herüber, Jämmerlin mit einem Fernglas, neben ihm Stüssi-Leupin, der winkte. Monika nahm die Pose der Statue an, die Mock von ihr gemacht hatte, Stüssi-Leupin klatschte in die Hände, Jämmerlin drohte mit der Faust.
    »Vielen Dank, daß Sie mich befreit haben«, sagte die Steiermann immer noch in der Pose, in der sie ihre Betrachter betrachteten, mir den Rücken zukehrend.
    »Zufall«, antwortete ich. »Im Auftrag Lienhards.«
    »Ich werde immer verprügelt«, sagte sie nachdenklich. »Zuerst von Benno und später von Cuxhafen. Und die anderen haben mich auch immer verprügelt.« Sie wandte sich wieder mir zu.
    »Das versöhnt einen wieder mit Ihnen«, sagte ich. »Jetzt schwillt auch Ihr rechtes Auge zu.«
    »Na und?«
    »Soll ich ein nasses Tuch aufstöbern?« fragte ich.
    »Quatsch«, sagte sie, »aber im Schrank finden Sie Cognac und Gläser.«
    Ich öffnete einen alten Engadiner Schrank und fand, was sie verlangte, schenkte ein.
    »Sie waren wohl oft hier?« fragte ich.
    »Manchmal. Ich bin wohl wirklich eine Nutte«, stellte sie etwas bitter und etwas verblüfft, doch großzügig fest.
    Ich lachte. »Die werden besser behandelt.«
    Sie leerte das Glas Cognac und sagte dann: »Jetzt nehm ich ein heißes Bad.«
    Sie hinkte ins Schlafzimmer. Verschwand. Ich hörte Wasser einlaufen, Fluchen. Dann kam sie zurück, verlangte noch einen Cognac.
    Ich schenkte ein. »Wird es Ihnen nicht schaden, Monika?«
    »Unsinn«, antwortete sie, »ich bin ein Roß.« Dann hinkte sie wieder zurück.
    Als ich das Badezimmer betrat, lag sie in der Wanne und seifte sich ein. »Brennt verteufelt«, sagte sie.
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    Ich setzte mich auf den Wannenrand. Ihr Gesicht verfinsterte sich.
    »Wissen Sie, was ich jetzt mache?« fragte sie, und als ich nicht antwortete, »Schluß, ich mache Schluß.«
    Ich reagierte nicht.
    »Ich bin nicht Monika Steiermann«, erklärte sie gleichgültig. Ich starrte sie verwundert an.
    »Ich bin nicht Monika Steiermann«, wiederholte sie, und dann ruhig: »Ich führe nur das Leben der Monika Steiermann. Mein Vater war Professor Winter.«
    Schweigen. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte.
    »Ihre Mutter?« fragte ich und wußte gleichzeitig, daß es eine blödsinnige Frage war. Was ging mich ihre Mutter an.
    Es war ihr gleichgültig. »Lehrerin«, antwortete sie, »im Emmental.
    Winter hat sie sitzengelassen. Er hat immer Lehrerinnen sitzenlassen.«
    Sie konstatierte es ohne Groll.
    »Ich heiße Daphne. Daphne Müller«, dann lachte sie: »So darf man eigentlich gar nicht heißen.«
    »Wenn Sie nicht Monika Steiermann sind, wer ist dann Monika Steiermann?« fragte ich verwirrt. »Gibt es die überhaupt?«
    »Fragen Sie Lüdewitz«, antwortete sie.
    Dann wurde sie stutzig. »Ein Verhör?« fragte sie.
    »Sie haben einen Rechtsanwalt verlangt. Ich bin Rechtsanwalt.«
    »Ich sag's Ihnen schon, wenn ich Sie brauche«, antwortete sie plötzlich nachdenklich, fast feindselig geworden.
    Lienhard erschien. Ich hatte ihn nicht kommen hören. Er war einfach auf einmal da. Er stopfte sich eine seiner Dunhill.
    »Zufrieden, Spät?« fragte er.
    »Ich weiß nicht«, antwortete ich.
    »Zufrieden, Daphne?« fragte er.
    »Mittelmäßig«, antwortete sie
    »Ich hab dir einige Kleider mitgebracht«, sagte er.
    »Hab ja Bennos Pyjama«, meinte sie.
    Draußen das Heranheulen eines Krankenwagens.
    »Jämmerlin wird wieder einen Herzanfall bekommen haben«, sagte Lienhard trocken. »Ich habe ihm sechzig Rosen überreicht.«
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    »Und mich hat er nackt gesehen«, lachte sie.
    »Das bist du ja öfters«, meinte er.
    »Woher wußten Sie eigentlich, wer Daphne ist, Lienhard?« fragte ich.
    »Man kommt eben darauf. Gelegentlich«, antwortete er und steckte seine Dunhill in Brand. »Wohin darf ich dich bringen, Fräulein Müller?«
    »Nach Ascona.«
    »Ich fahr dich hin.«
    »Geschäftstüchtig«, meinte sie anerkennend.
    »Kommt auf die Spesen«, sagte Lienhard. »Die zahlt er.« Damit wies er auf mich. »Er hat einige unbezahlbare Informationen bekommen.«
    »Ich habe auch noch einen Auftrag für ihn«, sagte Daphne.
    »Nun?« fragte Lienhard.
    Ihr nicht ganz zugeschwollenes rechtes Auge glitzerte, und mit ihrer linken Hand fuhr sie durch ihr zinnoberrotes Haar.
    »Er soll der echten Monika Steiermann, dieser lesbischen Ziege, ausrichten, ich wolle sie nicht mehr sehen. Hat sie's von einem Rechtsanwalt, ist's

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