Justiz
gejätet, die Springbrunnen vermoost, dazwischen urwäldliche Partien, alles besetzt mit Unmengen von Gartenzwergen. Sie standen nicht einzeln herum, sondern in Gruppen, in Völkern, sinnlos, mit weißen Barten, rosig, lächelnd, idiotisch, saßen sogar in den Bäumen, wie Vögel auf den Ästen befestigt, dann wieder gab es größere Gartenzwerge, grimmigere, ja bösartigere, auch weibliche, die größer als die männlichen waren, unheimliche Zwergweiber mit großen Köpfen.
Ich fühlte mich von ihnen verfolgt, eingekreist, lief immer schneller, bis ich nach einer jähen Kurve um eine mächtige alte Esche herum unvermittelt aufgefangen wurde: Es war, als würde ich gegen Eisen geschmettert, ohne daß ich recht erkennen konnte, wer mich da auf sich aufprallen ließ und mich umdrehte, offenbar ein Leibwächter, worauf ich den restlichen Weg zur Villa mehr getragen als geführt wurde. In der Haustüre stand ein zweiter Leibwächter, so massig, 94
daß er die Türe auszufüllen schien, nahm mich in Empfang und schob mich ins Innere der Villa, zuerst durch eine Vorhalle, dann durch eine Halle mit einem prasselnden Kamin, ein ganzer Baumstamm schien darin zu brennen, und endlich in einen Salon oder, wenn man will, mehr in ein Kabinett. Man ließ mich in einen Ledersessel fallen. Benommen schaute ich auf. Die Arme und der Rücken schmerzten. Die beiden Leibwächter saßen mir gegenüber in klobigen Ledersesseln. Sie waren kahlköpfig. Ihre Gesichter waren wie aus Ton. Schlitzäugig, Backenknochen wie Fäuste. Sie waren sorgfältig gekleidet, dunkelblaue Anzüge aus reiner Seide, als wäre Hochsommer, seidene weiße Krawatten, doch Schuhe, wie Gewichtheber sie tragen. Sie wirkten wie Kolosse, ohne eigentlich sonderlich groß gewachsen zu sein. Ich nickte ihnen zu. Ihre Gesichter blieben ausdruckslos. Ich sah mich um. An den getäfelten Wänden hingen und klebten Fotos, derart zahlreich, daß das dunkelbraune Getäfel fast wie mit einer Fototapete überdeckt war; und mit jener merkwürdigen Art von Schrecken, die jede Entdeckung begleitet, begriff ich, daß es sich um immer die gleiche Person handelte, die hier abgebildet war: Dr. Benno, und dann erst erkannte ich an der Wand gegenüber den vergitterten Fenstern in einer Nische die unanständige Meisterplastik Mocks, die nackte »falsche«
Steiermann, Daphne, nur jetzt in Bronze, ihre Brüste wie Gewichte mit den Händen stemmend, und wie ich sie wahrgenommen hatte, öffnete sich die gegenüberliegende Doppeltür, und ein dritter kahlköpfiger Leibwächter, noch mächtiger, noch seidiger als die beiden in den Ledersesseln, trug ein verrunzeltes und verkrümmtes Wesen von der Größe eines vierjährigen Kindes herein. Es trug ein groteskes, tief ausgeschnittenes schwarzes Kleid, auf dem ein Saphir funkelte, über dem winzigen, zerkrüppelten Leib.
»Ich bin Monika Steiermann«, sagte das Wesen.
Ich erhob mich. »Spät, Rechtsanwalt.«
»So, so, ein Rechtsanwalt«, meinte das winzige Wesen mit dem mächtigen Kopf. Das Unheimliche war die Stimme. Es war, als ob aus dieser Ungestalt ein anderer Mensch spräche. Es war die Stimme einer Frau: »Was wollen Sie von mir?«
Der Leibwächter, das Wesen auf seinen Armen, blieb 95
unbeweglich.
»Monika …«
»Frau Steiermann«, korrigierte mich das Wesen, und dann zupfte es an seinem Kleid: »Dior. Chic, nicht?« In seiner Stimme lag ein ruhiger, überlegener Spott.
»Frau Steiermann, Daphne will nicht mehr zu Ihnen zurückkehren.«
»Das sollen Sie mir ausrichten?« fragte das Wesen.
»Das soll ich Ihnen ausrichten«, antwortete ich.
Es war nicht zu erraten, wie das Wesen die Botschaft aufnahm.
»Whisky?« fragte es.
»Gern.«
Ohne daß das Wesen ein Zeichen gegeben hätte, öffnete sich die Doppeltür hinter mir, und ein vierter kahlköpfiger Leibwächter brachte Scotch und Eis.
»Pur?« fragte es.
»Mit Eis.«
Der vierte Leibwächter bediente, blieb. Auch die beiden ersten hatten sich erhoben.
»Wie gefallen Ihnen meine Diener, Rechtsanwalt?« fragte das Wesen, und jener, der es trug, führte ihm den Scotch zum Mund.
»Imponierend«, sagte ich. »Ich habe sie für Ihre Leibwächter gehalten.«
»Imponierend, aber blöd«, antwortete es. »Usbeken. Die Russen haben sie irgendwo in Innerasien aufgegabelt und in die Rote Armee gesteckt, dann sind sie in deutsche Kriegsgefangenschaft geraten, und weil die Nazi-Anthropologen nicht imstande gewesen sind, sich zu einigen, zu welcher Rasse sie gehören, sind sie am
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