Juwel meines Herzens
Gefühl. »Ihr wisst den Grund ganz genau. Folgt mir ins Boot, damit wir es hinter uns bringen.«
Wayland zuckte mit den Schultern. »Aye, Captain, aber ganz ehrlich: Du hörst dich nicht wie ein Mann an, der gleich die Schätze eines Königs finden wird.«
Nicht? Nolan kletterte hinter Wayland die Leiter hinunter. Sobald sich der Schatz an Bord befand und sie diesen Ort verlassen könnten, würde er vor Glück schreien. Er ließ sich im Boot nieder, nahm Jewels Hand und überließ den anderen Männern das Rudern.
Vielleicht sollte er Jewel wirklich sagen, dass er sie liebte? Bisher hatte er nie darüber nachgedacht, weil er nicht gewusst hatte, dass er es tat. Er begehrte sie, ganz eindeutig, aber Liebe …? Gab es dieses Gefühl denn überhaupt? Die einzige Liebe, die er bisher erlebt hatte, war die zu seinen Eltern gewesen, aber dieses Gefühl war ihm süßlich-widerlich aufgestoßen, hatte ihn gehemmt und ihm stets mehr Schuldgefühle als Freude verschafft. Das war kein Vergleich zu dem, was Jewel in ihm wachrief. Er fühlte Besitzsucht, wenn er sie ansah, und Schuld, wenn er sie unglücklich machte. Die Spannung, die sich bei ihrem Anblick in ihm ausbreitete, könnte man als durchaus süßlich beschreiben, aber … nein, es war nicht dasselbe wie bei seinen Eltern. Männer plauderten einfach nicht über solche Dinge wie die Liebe. Er hatte sie geheiratet, und das musste genügen.
Er hob den Kopf, und sein Herz setzte für einen Schlag aus, als er den Geist langsam auftauchen sah. Nolan änderte seine Position, setzte sich gerade hin. Offenbar schien er der Einzige zu sein, der ihn entdeckt hatte, alle anderen dämmerten noch im Halbschlaf vor sich hin. Er fokussierte seinen Blick. Am Ufer stand ein in Lumpen gekleideter Mann und schwenkte wie wild die Arme über dem Kopf, verzweifelt darum bemüht, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. In Nolans Magen rumorte es.
Mein Gott, war er etwa verrückt geworden? Wenn irgendjemandem auf der Welt das gelingen sollte, dann mit Sicherheit nur Bellamy Leggett – egal, ob tot oder lebendig.
Tyrell blickte zu Nolan und stemmte die Ruder aus dem Wasser. »Da ist jemand am Ufer, Captain.«
Jewel sah sich um, aber die Männer verstellten ihr den Blick.
Nolan sah zu Wayland, der kein bisschen erstaunt wirkte. Dann traf Nolan die Erkenntnis mit der Kraft eines unerwarteten Schlags von Bellamys harter Faust. Fast wünschte er sich, er würde tatsächlich an einer Halluzination leiden. Bellamy hatte sich mit seinen Tricks und seiner Manipulationskunst mal wieder selbst übertroffen. Von Anfang an war Nolan sein Pfand gewesen. »Dieser Huren–«
Jewel drückte seine Hand. Als er sich umdrehte und sie ansah, dachte er für einen winzigen, herzzerreißenden Augenblick lang, dass sie schon immer Teil des teuflischen Plans ihres Vaters gewesen war, doch ihr verwunderter Blick ließ seinen Argwohn unbegründet erscheinen. Bellamy und seine Verbündeten hatten sie noch schamloser benutzt als ihn, was Nolans mörderische Wut noch verstärkte.
Er durchbohrte Wayland mit einem Blick, aus dem sein ganzer Hass sprach. »Das hier ist noch nicht vorbei. Ganz und gar nicht. Es hat gerade erst begonnen.«
Wayland war weder beleidigt, noch machte er eine süffisante Bemerkung. Vielmehr zuckte er einfach nur in abgeklärter Resignation mit den Schultern. »Sag das besser ihm.«
»Wer ist das?«, fragte Jewel. »Kennt Ihr den Mann am Ufer etwa?«
Unvermittelt liefen sie auf den Strand auf, womit Nolan von der Antwort enthoben wurde. Gemeinsam mit Tyrell sprang er heraus, beide hatten vorsichtshalber schon vorher ihre Stiefel ausgezogen, und zogen das Ruderboot an Land.
Bellamy Leggett stolperte bereits in ihre Richtung. Seine Kleider hingen in Fetzen an ihm herab, aber sein ganzer Stolz, sein dickes goldblondes Haar, schien gerade eben erst gekämmt worden zu sein: Durchsetzt mit grauen Strähnen, die den Glanz etwas dämpften, fiel es ihm über die Schultern. Sein Gesicht, das Nolan bis in seine Träume hinein verfolgt hatte, war glatt rasiert, was Nolans Hoffnung nährte, dass entweder Bellamy in den letzten Jahren dümmer oder er selbst schlauer geworden war.
»Nolan, bist du das? Ich wusste, dass du zurückkommen würdest, um mich zu holen. Ich wusste, du würdest mich nicht verlassen.«
Tyrell war stehen geblieben und starrte den alten Mann an, während Nolan dagegen ankämpfte, Bellamy für sein grandioses Schauspiel zu applaudieren. Als er jemanden lauthals nach Luft schnappen
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