Juwel meines Herzens
hörte, wurde ihm klar, dass nun auch Jewel ihren Vater erkannt hatte. Nolan hielt sich zurück, gespannt, wie sie reagieren würde. Es war an Bellamy, den ersten Zug in diesem Spiel zu machen.
Jewel stieg aus dem Boot, stapfte durch den Sand und ignorierte die Brandung, die den Saum ihres Kleides durchnässte. Bellamy, der ihr entgegenstolperte, blinzelte wie wild, als versuche er, aufsteigende Tränen zu verhindern. Nolan schätzte, dass seine Augen in Wirklichkeit so trocken wie Wüstensand waren.
Er öffnete die Arme. »Das kann nicht sein. Ich muss schon wieder von Wahnvorstellungen heimgesucht werden. Ein Mann muss ja dem Wahnsinn verfallen, wenn er so viel Zeit mit sich allein verbringt. Verlassen. Vergessen. Sich selbst überlassen. Bist du das, Jewel?«
Sie nickte, behielt aber eine gewisse Distanz bei und wandte ihren Blick zu Nolan. Ein verwirrter Ausdruck lag auf ihren sonst so leuchtenden Augen. Nolan wusste, dass er ihr jetzt keine zufriedenstellende Antwort bieten konnte, und sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder ihrem Vater zu. »Ich dachte, du wärst tot?«
Bellamy ließ den Kopf in seine Hände sinken, verbarg das Gesicht und ließ seine Schultern nach vorne rollen. »Das glaubte ich auch«, erklang seine gebrochene Stimme durch die Finger hindurch. Jewel rannte zu ihm und legte ihren Arm um seine bebenden Schultern.
Nolan starrte fasziniert auf die sich vor ihm abspielende Szene. Er war verdammt! Und er war ein Narr gewesen, zu glauben, dass er Bellamy so einfach loswerden konnte. Eigentlich hätte es ihm damals gar nicht so viel ausgemacht, wenn Bellamy die kleine Unannehmlichkeit, die er ihm auferlegt hatte, überlebt hätte. Zur Hölle, tief in seinem Inneren hatte er es sogar gehofft. Das war auch der Grund gewesen, weshalb er ihn nicht gleich umgebracht hatte. Die Schuld, die ihn seit Jahren gepeinigt hatte, war der Tatsache geschuldet, dass Bellamy niemals wieder in Erscheinung getreten war und Nolan ihn somit für tot gehalten hatte. Nun, diese Episode hier am Strand würde für Jewels Vater sicherlich die verlorene Zeit wieder wettmachen. Bellamy war noch immer der Herr, und Nolan würde bis ans Ende seiner Tage sein geringerer Schüler bleiben.
Jewel schlang ihre Arme um Bellamy und fuhr ihm durch sein Haar. »Jetzt ist alles gut. Du bist in Sicherheit bei uns.« Sie blickte über ihre Schulter und sah Nolan an. »Das stimmt doch, oder?«
Nolan verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen und verschränkte die Arme vor der Brust. Innerlich raste er vor Wut. Am liebsten würde er hinausschreien, dass er in diesem Moment nichts mehr wünschte, als Bellamy an der höchsten Palme der Insel aufzuknüpfen. »Es wirkt nicht gerade so, als wäre es ihm in der Einsamkeit besonders schlecht ergangen.«
Jewels ungläubige Reaktion war nicht zu überhören. Bellamy hob seinen Kopf, um Nolan über ihren Kopf hinweg höhnisch zuzulächeln. Seine dunkelgrünen Augen, die Jewels viel weniger glichen, als er es in Erinnerung gehabt hatte, leuchteten vor Triumph und einer tiefen, inbrünstigen Befriedigung. Schweigend überließ er seiner Tochter diesen Kampf. Nolan hätte sich keinen gefährlicheren Gegenspieler aussuchen können, und das wusste dieser Hurensohn.
»Sieh dir nur seine Lumpen an«, sagte Jewel zu Nolan und drückte Bellamys Hand, eine verhaltene, aber nichtsdestotrotz deutliche Geste des Vertrauens. »Wie bist du hierhergekommen?«
Bellamy starrte mit einer Miene auf seine Füße, die Nolan noch nie an ihm gesehen hatte. Er wappnete sich gegen alles, was noch kommen würde. Wahrscheinlich senkte Bellamy sein Gesicht, um sein Lächeln vor seiner Tochter zu verbergen, als er Nolan den tödlichen Schlag versetzte. »
Er
hat mich hier vor fünf Jahren ausgesetzt. Völlig allein.«
Noch ein tiefes Luftholen, diesmal begleitet von einem Schluchzen. Jewels Hand flog an ihren Mund, und einen Augenblick lang sah sie aus, als würde sie ohnmächtig werden. Ohne nachzudenken, trat Nolan an ihre Seite. Er wollte nur bei ihr sein, falls sie ihn brauchte. Doch sie hob die Hand, um ihn aufzuhalten, und machte, als er stehen blieb, einen Schritt zurück. Und somit einen Schritt näher hin zu ihrem Vater. »Warum?«
Nolan wusste genau, was sie damit meinte. Warum hatte er ihren Vater allein auf dieser Insel zurückgelassen? Sein Kiefer schmerzte, weil er die Zähne so sehr aufeinandergebissen hatte. Das Grauen zerrte an seinen Gesichtszügen. Am Ton ihrer Frage erkannte er, dass sie die
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