Juwel meines Herzens
sogar in der Lage, etwas zu unternehmen, um sie zu retten. Tyrell war zwar bei ihr, aber der junge Leutnant verfügte nicht über genügend Erfahrung, um in einer solch brenzligen Situation zu wissen, was zu tun war. »Dann bist du also erst wieder nüchtern geworden, als du gehört hast, dass ich mich auf die Suche nach dem Schatz gemacht habe?«
Die Fesseln klirrten, und gleichzeitig hörte Nolan, wie Bellamy sich auf den Bauch klopfte. »Ja, und es geht mir besser als je zuvor, wenn ich das so sagen darf. Vielleicht fehlt mir noch ein bisschen Training, aber fast hätte ich dich trotzdem gekriegt.«
Nolan verzichtete darauf, Bellamy darauf hinzuweisen, dass er ihn ziemlich schnell entwaffnet hatte. Bellamys subjektive Auslegung der Wahrheit zerstörte Nolans anfängliche Hoffnung auf die ehemalige Fähigkeit seines alten Mentors, aus jeder Zwickmühle herauszufinden. Angst und Panik nagten erneut an seinen Nerven. Er ließ sich auf den Boden gleiten und senkte desillusioniert seinen Kopf. »Glaubst du, Jack wird uns helfen? Du kennst ihn immerhin besser als ich.« Dass Jack Casper im Augenblick ihre einzige Hoffnung zu sein schien, ließ seine Stimmung noch weiter sinken.
»Der alte Casper ist ein Pirat. Er wird sich auf die Seite schlagen, die ihm eher zusagt. Zum Glück haben wir den verlockenderen Einsatz zu bieten. Außerdem sollte ihm bewusst sein, dass ihn die Engländer genauso wie uns vor das Gericht stellen werden.«
Nolan erhob sich, da er nicht mehr stillsitzen konnte. Bellamy hatte recht. »Früher warst du nie so geduldig. Oder vernünftig.«
»Habe ich alles gelernt, als ich auf dich gewartet habe, Nolan.«
Jewel sah den Lichtschein und hörte die Schritte der Männerfüße, lange bevor die Soldaten Tyrells und ihr Versteck erreichten. »Sie kommen. Wie sehe ich aus?«
»Schrecklich. Im Ernst: Mir gefällt die Idee überhaupt nicht. Ich sollte darauf bestehen, dass wir uns etwas anderes überlegen.« Der Leutnant hatte bereits auf viele Dinge bestanden, aber Jewel hatte sich von ihrem Plan nicht abbringen lassen.
Noch einmal ließ sie ihre Finger durch ihr wirres Haar gleiten und zog dann an dem mit Spitze verzierten Saum ihr Hemd zurecht. Ihres grünen Lieblingskleides hatte sie sich entledigt – es war ohnehin durch das Messer ihres Vaters ruiniert. Aber es hatte auch praktische Gründe, dass sie es weggeworfen hatte: Sollte sie in nächster Zeit ein Schwert in die Hände bekommen, so wäre ihr der schwere Rock nur im Weg und sie würde durch die enge Schnürung keine Luft bekommen. Ihre jetzige Kleidung, ein dünnes Hemd und ihr Petticoat, gewährte ihr wesentlich mehr Bewegungsfreiheit – ganz davon abgesehen, dass man so perfekte Sicht auf ihren blutigen Kratzer hatte, der schlimmer wirkte, als er tatsächlich war. »Wenn Ihr mich schon nicht schlagen wollt, dann helft mir zumindest, meinen Unterrock zu zerreißen.«
Tyrell verschränkte die Arme vor seiner nackten Brust und weigerte sich, auch nur einen Handschlag zu tun. »Ich mache da nicht mit. Es ist zu gefährlich. Diese Männer werden Euch eher vergewaltigen, als dass sie Euch helfen.«
Wieder drehte sie sich zum Pfad, um abzuschätzen, wie weit die Soldaten schon vorgerückt waren. »Und genau deswegen müssen wir dafür sorgen, dass wir uns ihnen nähern, wenn Devlin dabei ist. Ihr werdet mir helfen, Tyrell, und wir werden es genauso machen, wie ich gesagt habe, also haltet Euch bereit.«
Sie bekam mit, wie er sich hinter ihr in Bewegung setzte, aber wenn sie sich noch einmal umdrehte und mit ihm stritt, würde sie seinen Argumenten vielleicht nachgeben. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und pochte vor Verzweiflung lauter als sonst. Würde ihr Plan gelingen? Aber ohne Waffen blieb ihnen kaum eine andere Wahl.
Eine Gruppe rotbemäntelter Soldaten marschierte den Pfad herauf, war jedoch noch zu weit entfernt, als dass man hätte erkennen können, ob Devlin sie anführte. Die Männer blieben auf dem Pfad und hoben nur hin und wieder mit ihren Bajonetten einige Äste an.
»Wie bekommt man noch mal dieses Gelbfieber?«, hörte Jewel einen der Männer fragen.
»Durch den Gestank, glaube ich.«
»Jetzt reicht es aber! Der Gestank hat nichts damit zu tun. Das ist meine zweite Fahrt zu den Westindischen Inseln, und alles riecht hier ein bisschen faulig. Das kommt von der Hitze und dem feuchten Klima und hat nichts mit einer Krankheit zu tun.«
Jewel hatte Devlins Stimme erkannt. Die Soldaten verstummten nach seiner
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