Juwel meines Herzens
hinderten ihn daran. »Beruhige dich. Jack hat nichts davon gesagt, dafür hat er mir zugeflüstert, dass er ihnen gegenüber mit keinem Wort etwas vom Schatz erwähnt hat.« Nolans Kopf pochte so stark und sein Puls schlug so schnell, dass er Bellamys Atem schon nicht mehr hören konnte. »Wir müssen hier raus«, sagte er mit einem Hauch von Panik in seiner Stimme. »Auf keinen Fall dürfen sie Jewel in ihre Hände bekommen.«
Abgesehen von der Tatsache, dass er überhaupt nicht sicher war, ob Devlin vor einer Vergewaltigung zurückschrecken würde oder nicht, fürchtete er, dass Jewel, wäre sie erst an Bord der
Neptune,
von dem Mann, den Nolan verwundet hatte, erkannt werden würde. Sie würden kapieren, dass es nie einen Jungen gegeben hatte, und damit würde sie in den gleichen Schwierigkeiten stecken wie er. Ihr Weg wäre dann vorgezeichnet – direkt zum Galgen.
»Und warum, zur Hölle, hast du dich dann von denen einfangen lassen? Wir hätten nicht kampflos aufgeben sollen. Ich war es nicht, der dir so ein Verhalten beigebracht hat.« Bellamys Stimme zerschnitt die Dunkelheit.
»Sie hatten ihre Musketen auf uns gerichtet. Die Hälfte meiner Männer war noch nicht mal bewaffnet.« Der Einwurf, dass er eine Wache aufstellen und viele Dinge anders hätte machen sollen, war im Augenblick keine große Hilfe.
»Pah, wenn sie Piraten wären –«
Nolan unterbrach. »Das sind sie aber nicht«, sagte er, und erst dann schoss ihm durch den Kopf, dass er ja selber kein richtiger war. Statt einer ehrbaren Crew hätte er sich Männer mit ein bisschen mehr Kampferfahrung suchen sollen. »Also, was sollen wir jetzt tun? Glaubst du, Jack Casper wird uns bei einer Flucht helfen?«
Ehe Bellamy noch antworten konnte, wurde ein Schlüssel ins Schloss geschoben, und die Tür schwang auf. Selbst das schwache Licht einer Laterne blendete Nolan nach der völligen Dunkelheit für einige Sekunden.
»Ihr seid es also.« Er erkannte Greeleys Stimme beim ersten Wort, aber sie klang schwächer und weniger schwülstig als sonst. »Und das ist der Mann, der Euch damals angeheuert hat?«
Als Nolan sich an das Licht gewöhnt hatte, zeichnete sich Greeleys abgezehrte Gestalt ab. Der Mann trug seinen schweren dunkelblauen Rock, aber das locker sitzende Halstuch betonte seinen ausgemergelten Körper. Schweißperlen standen ihm auf dem Gesicht und sammelten sich in den dunklen Ringen unter seinen Augen.
Nolan betrachtete Greeley und den anderen Mann, der mit ihm erschienen war, mit Interesse. Seine Fesseln rasselten, als er sich bewegte, und Greeley schrak zurück. Dann trat der Seemann im traditionell gestreiften Hemd und den Leinenhosen der Englischen Marine vor und deutete mit einer zitternden Muskete auf ihn. Nolan dämmerte es: Alle Marinesoldaten beziehungsweise alle, die im Kampf Mann gegen Mann ausgebildet waren, waren offenbar zum Strand gebracht worden. Und nicht nur das – Greeley zeigte unübersehbar Symptome eines Fiebers. Normalerweise war es eine mittlere Katastrophe, auf einem Schiff gefangen zu sein, auf dem alle Männer an tropischen Krankheiten litten, aber jetzt weckte die Entdeckung Hoffnung in Nolan.
Ein anderer Mann, der bei noch schlechterer Gesundheit als Greeley zu sein schien, lugte jetzt hinter dem Seemann mit der Muskete hervor. »Der Dunkelhaarige war es, aber der andere war ein Junge, wie ich schon gesagt habe. Der ist hier nicht dabei.«
»Gut, wir haben genug gesehen«, brummte Greeley noch, ehe die Tür zugeworfen und verriegelt wurde, und sie wieder allein in der undurchdringlichen Dunkelheit saßen.
»Offenbar haben sie nicht genügend Männer. Wenn wir es schaffen, hier rauszukommen, dürften unsere Chancen auf eine Flucht gar nicht mal so schlecht stehen.« Nolan zerrte an seinen Fesseln, die ihm schon die Handgelenke wund gescheuert hatten.
»Zuerst werde ich den Kerl aufschlitzen, der mich einen alten Knacker genannt hat.« Bellamy suchte nach einer neuen Sitzposition, wobei seine Ketten aneinanderrieben.
»Und wie willst du das anstellen?« Nolan versuchte, sich zu konzentrieren, aber es schoben sich immer wieder Bilder von Jewel vor sein inneres Auge, wie sie von einer Abordnung englischer Marinesoldaten verfolgt wurde. Panik erfüllte ihn.
»Setz dich, Nolan. Spar dir lieber deine Kraft.« Bellamy schnaufte schwer. »Warum hast du mich eigentlich am Strand nicht getötet?«
Nolan kroch zur Tür und drückte die Klinke hinunter. Er wusste, dass sie verschlossen war, wollte aber
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