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K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

Titel: K. oder Die verschwundene Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Transit
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beklommen. Und er gräbt weiter und weiter. Plötzlich erinnerte K. sich an eine andere Szene, wie der Spaten an einen Stein schlug, unter dem eine Schlange hervorkroch, und wie er sie mit einem Schlag tötete, bevor sie zustoßen konnte; und alsbald war er aus dem Loch heraus und, obwohl er nicht von der Schlange gebissen worden war, fröstelte ihn, als sei er krank oder habe Fieber. Und da war niemand mehr, alle waren verschwunden, nur eine junge Mulattin mit einem Baby auf dem Arm war da, und sie war das kleine Hausmädchen, das er vor langer, langer Zeit, als sie noch ganz jung war, fünfzehn vielleicht, angestellt hatte, um auf seine Tochter aufzupassen, als es der Mutter schlecht ging, nachdem sie die Nachrichten vom Krieg erhalten hatte und sich zu nichts aufraffen konnte. Seine Tochter war erst drei Jahre alt, und dieses Mädchen namens Diva kümmerte sich um sie, und im Traum spürte er, wie der Schüttelfrost stärker wurde; und als er das Baby betrachtete, war es seine Tochter und Diva sagte: Legen Sie sich hin, es ist Zeit, das Chinin einzunehmen. Und er erinnerte sich an die Malaria, die er bekommen hatte, als er ein Grundstück in den Niederungen von Água Fria umgegraben hatte, ein Grundstück, das er einem Freund in gutem Glauben abgekauft hatte; als er es sich ansah, war alles sumpfig. Er war gekommen, um den Zaun aufzustellen, das Grundstück abzugrenzen; dort hatte er drei Schlangen getötet und der Spaten hatte ein dünnes Blatt und der Boden war ganz weich, denn es war ein Feuchtgebiet, sodass er die verdammte Malaria bekam. Er war damals nicht älter als achtunddreißg, es war das erste Grundstück, das er sich leisten konnte; und später, als der Wert stieg, obwohl es ein Sumpfgebiet war, verkaufte er es und konnte sich so die Anzahlung für das Haus leisten; es war genau zu jener Zeit gewesen, als seine Tochter noch ein Baby war und seine Frau ihr Trauma erlitt, er im Fieberwahn, und wer sich um die Tochter kümmerte, war die kleine Mulattin Diva. Er hatte Diva vergessen, wo mochte sie wohl sein? Ja, auch Diva war verschwunden; eines Tages verlangte sie ihren Lohn und ging, nachdem sie mehr als zehn Jahre bei ihnen gewohnt hatte. Sie gehörte schon zur Familie, aß zwar immer alleine, schlief aber in dem gleichen Zimmer wie seine Tochter, sie waren fast wie Schwestern. Sie ging, ohne zu sagen, wohin, ohne eine Adresse zu hinterlassen, als sei sie beleidigt, aber natürlich war sie auf eine andere Art verschwunden, niemand verschwand zusammen mit ihr; wahrscheinlich wollte sie nicht länger als Hausmädchen arbeiten, hatte einen Mann gefunden und war in einen anderen Stadtteil oder eine andere Stadt gezogen, aber die Tochter war traurig über dieses plötzliche Verschwinden, verwirrt, die ganze Familie fühlte sich gekränkt; und in dem Traum kam sie zurück, mit einem Baby auf dem Arm, und K. streckt beide Arme aus, um das Kind zu nehmen, und er weiß nicht einmal, wie man das macht, denn er hat es noch nie getan, aber er streckt die Hände aus und nimmt es so von unten und drückt das Kind an sich; und als er es anschaut, lächelt das Kind, es ist ein Baby, aber das Gesicht ist das seiner Tochter.

    Mit-Leidenschaft
    I
    Am Anfang war es Angst. Furchtbare Angst. Angst, er könnte meinem Bruder etwas Schlimmes antun; meiner Familie; Angst, er könnte mir etwas Schlimmes antun. Heute ist es Leidenschaft, das können Sie mir glauben, nichts als Leidenschaft, eine irre Leidenschaft. Von beiden Seiten, von meiner und von seiner. Über Leidenschaft fällt man keine Urteile, Leidenschaft geschieht einfach. Sie sind ja auch nicht hergekommen, um ein Urteil über mich zu fällen, oder?
    Manchmal denke ich, schuld daran war der Regen. Als ich ankam, war ich klatschnass, mein dünnes Blüschen klebte auf der Haut, meine Haare trieften vor Nässe, die Hose tropfte, und ich stand da, schutzlos, benommen, wie ein Vögelchen vor der Schlange, zitternd vor Kälte und halbtot vor Angst, eine Beute, er konnte mit mir machen, was er wollte, zum Sprung ansetzen, mich auffressen, mich zerdrücken. Später hat er erzählt, dass er an jenem Tag unglaublich scharf war. Bitte entschuldigen Sie, meine Liebe, dass ich so daherrede, das ist meine Art.
    Was er gemacht hat? An diesem Tag hat er gar nichts gemacht. Er ließ ein Handtuch holen, wartete, bis ich mich abgetrocknet hatte, gab mir Zeit, damit ich mich beruhigte, bot mir sogar einen Cognac an, um die Kälte zu vertreiben, sagte er, ein Gentleman. Es passierte am

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