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K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

Titel: K. oder Die verschwundene Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Transit
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Tag darauf, als ich zurückkam mit den zwei Fotos von Zinho, die er brauchte, um den Pass ausstellen zu lassen. Er legte die Fotos auf den Tisch und führte mich in einen anderen Raum, eine Art Anbau, mit Bett und Toilette. Ohne ein Wort zu sagen, hob er mein Kleid hoch, streifte mir das Höschen ab und presste sich an mich. Ich habe mich ihm hingegeben ohne jeden Widerstand.
    Ob es das war, was ich wollte? Ich glaube schon, bestimmt hatte ich es erwartet, denn ich war vorbereitet, wissen Sie? Ich hatte mir beim Friseur die Haare machen lassen und ein tief ausgeschnittenes, luftiges Kleidchen angezogen. Ich hatte seinen Blick am ersten Tag gesehen. Ob es etwas geändert hätte, wenn ich mich gesträubt hätte? Nicht das Geringste. Nachdem man einen Fuß dort hinein gesetzt hat, gibt es kein Zurück mehr. Welche Frau kann einem so mächtigen – so allmächtigen – Mann widerstehen? Und es war ja klar, dass ich den Pass bekommen würde, nicht wahr?
    Doch das Wichtige ist, dass daraus eine Leidenschaft geworden ist. In dem Fall ist es egal, ob der Typ ein Verbrecher ist, ob er verheiratet oder ledig oder was auch immer ist; ich weiß nicht, ob Sie jemals eine Leidenschaft erlebt haben. Wenn man sich dagegen wehrt, wird sie nur noch größer, wird zu einer Krankheit, bringt einen zur Strecke. Glauben Sie ja nicht, meine Gute, dass Leidenschaft und Liebe ein und dasselbe sind, Leidenschaft ist Wahnsinn, ist Blindheit, ist totaler Verlust des Unterscheidungsvermögens. Es war, als ob er mich hypnotisiert hätte. Denn wenn ich auch nur eines Gedankens fähig gewesen wäre, wie hätte ich dann mit einem Mann zusammenleben können, von dem alle behaupten, dass er ein Ungeheuer ist?
    II
    Ich weiß, was über ihn gesagt wird. Sie müssen mir nichts erzählen. Weshalb, glauben Sie, habe ich ihn aufgesucht? Ich bin hingegangen, so wie Sie heute hierher zu mir gekommen sind. Als Bittstellerin. Ich wusste, dass nur er in der Lage war, die Rückkehr meines Bruders zu ermöglichen. Ich hatte schon alles Erdenkliche probiert, wissen Sie. Ich bin Anwältin, kenne einflussreiche Leute, aber es war nichts zu machen. Zinhos Situation im Exil mit den Typen dort war zu verworren, er musste da weg, aber er hatte keinen Reisepass. Eine Überlegung war, sich einen Geleitbrief von einem anderen Land zu besorgen und damit die brasilianische Grenze zu überqueren, aber wenn er dabei erwischt würde, wäre er womöglich am nächsten Tag nicht mehr am Leben oder verschwunden, ohne dass jemand ahnte, wie.
    Nur er konnte die Sache in Ordnung bringen. Das habe ich aus dem Mund einer wichtigen Person gehört, eines Rechtsanwalts, dessen Geschäftspartnerin ich quasi war, bevor er zum Obersten Gerichtshof wechselte. Danach wurde er in den Ruhestand versetzt. Partnerin ist ein relativer Begriff, ich machte irgendwelche Eigentümer von belasteten Landgütern ausfindig, Leute, die Geld brauchten, und er klopfte dann das Geschäft für einen Spottpreis fest. Er hat mir die Telefonnummer gegeben und mir gesagt, ich kann mich auf ihn berufen. Können Sie sich vorstellen, dass er sofort den Hörer abnahm? Noch bevor das erste Klingelzeichen verhallt war. Es ist die Nummer, die ich bis heute benutze. So etwas wie ein Rotes Telefon. Nur ich und ein paar Leute der oberen Führungsriege kennen die Nummer.
    Ich rede ihn mit Chef an und er nennt mich mein Mädchen. Er hat mich zum ersten Mal mein Mädchen genannt an dem Tag, als er mir den Pass aushändigte. Er sagte: Sieh zu, dass dein Bruder das erhält, mein Mädchen, und wir verlieren kein Wort mehr darüber, nie mehr werden wir über diese Dinge ein Wort verlieren. Manchmal, wenn wir im Bett sind, hält er mittendrin inne und flüstert: du scharfe Braut. Kein Problem, im Bett ist das in Ordnung. Aber sonst immer nur mein Mädchen. Mich kann man doch nicht scharfe Braut nennen, oder? Ich bin eine unabhängige Frau, habe einen Beruf. Mein Mädchen, das gefällt mir, das ist zärtlich.
    III
    Wir haben diese Absprache, wissen Sie? Er fragt mich nicht, was ich mache, und ich frage ihn nicht, was er macht. Nicht, dass ich ihn nie danach frage, es ist komplizierter, wie alles zwischen Mann und Frau, nicht wahr? Einmal habe ich einen Namen erwähnt und so getan, als wäre es reiner Zufall, morgens beim Kaffee, als hätte ich ihn in der Zeitung gelesen, und habe seine Reaktion beobachtet. Er wusste, dass es nicht einfach so dahin gesagt war. Er ist unglaublich scharfsinnig. Aber er tat so, als wisse er von nichts.

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