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K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

K. oder Die verschwundene Tochter - Roman

Titel: K. oder Die verschwundene Tochter - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Transit
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Ordensgeistlichen handelte, war sowieso alles vorprogrammiert.
    Er hasst die Patres noch mehr als die Kommunisten, verstehen Sie? Der Hass auf die Kirchenleute war etwas Persönliches, das er in sich trug. Der Hass auf die Kommunisten war anders, den hatten sie ihm eingeimpft, so habe ich das verstanden, es war ein Auftrag, er hatte sie zu vernichten, egal wie, es war eine Abmachung, um sich von den anderen Beschuldigungen reinzuwaschen, es war eine Erpressung der Militärs, mit der sie ihn kriegen konnten.
    Schauen Sie, ich verteidige ihn nicht, ich rechtfertige nichts, ganz und gar nicht. Aber glauben Sie, dass diese Kommunisten alle die reinsten Heiligen waren? Machen Sie sich klar, dass er in sämtlichen Gruppierungen Informanten hatte, nein, es handelte sich nicht um eingeschleuste Polizisten, im Gegenteil, es waren die Kommunisten, die die Kommunisten verrieten, es waren die Hunde, er nannte sie Hunde. Ich hörte ihn manchmal am Telefon sagen, ruf mal den Hund. Sprich den Treffpunkt mit dem Hund ab.
    Eines Tages las ich die Zeitung und erwähnte den Namen eines Schriftstellers, der Kindergeschichten schrieb und von den Militärs eingesperrt worden war. Und er entgegnete, gerade der, der ist doch das größte aller Arschlöcher, ich brauchte noch nicht einmal die Zigarette in Brand zu stecken, ich habe nur erwähnt, ich würde seinen Sohn holen lassen, und schon hat er mehr als fünfzig verraten, diejenigen, die dazu gehörten und die, die nichts damit zu tun hatten. Das war das einzige Mal, dass er zugab, zu foltern, diese Geschichte mit der Zigarette, die er anzündete und dem Sohn, den er holen lassen würde, das darf doch nicht sein! Ich verabscheue so etwas. Das war übrigens das einzige Mal, dass er sich nicht an unsere Abmachung gehalten hat, den Dreck seiner Arbeit nicht mit nach Hause zu bringen.
    Keiner sollte etwas erfahren. Das war die Absprache. Auch, weil er verheiratet ist. Ich habe bereits andere Männer gehabt, und auch er hatte seine Geschichten. Das geht niemanden etwas an. Ich wollte nicht, dass jemand davon erfuhr. Erst recht nicht Zinho. Gleich am zweiten Tag habe ich ihn darum gebeten, und er war einverstanden. Mit dem ganzen Trubel bis in die späte Nacht hier vor der Haustür, alles voller Bars und Restaurants, da hätte keiner etwas merken müssen. Und Sie haben ja gesehen, wie der Eingang ist. Man steigt ein paar Stufen hinab und steht direkt vor der Wohnungstür. Man muss nicht am Pförtner vorbei und gar nichts. Er kommt fast jeden Abend her, sagt zu seiner Frau, die zu Hause sitzt, dass er noch arbeitet. Nie zur gleichen Zeit und immer in einem Auto mit falschem Kennzeichen. Er steigt eine Straßenecke vorher oder eine nachher aus. Es geht nicht nur um Geheimhaltung, sondern auch um Sicherheit. In letzter Zeit etwas weniger, seit Marighella tot ist, ist er entspannter. Aber vorher hielt er auf strenge Disziplin. Er selbst hat mir gesagt, mein Telefon würde abgehört, aber das hinge mit der Sicherheit zusammen, und manchmal forderte er Personenschutz an. Ein Wachposten kam und pflanzte sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite auf, kurz bevor er hier ankam oder von hier abfuhr. Kurz davor meldete er sich immer per Telefon.
    Wir hatten ausgemacht, dass er nicht ans Telefon ginge. Ich würde die Gespräche entgegennehmen und den Hörer gegebenenfalls an ihn weiterreichen. Es gab einen Erkennungsspruch. Am Anfang lautete er: Ich möchte mit dem Chef sprechen; später wurde er geändert in: Ich möchte mit dem Vorgesetzten sprechen. Die Erlaubnis, ihn anzurufen, hatten nur wenige, das galt nur für Notfälle. Doch dann kam dieses Auslandsgespräch. Den Polizeichef, bitte? Es ist dringend. Ich reichte ihm den Hörer. Er hatte keine Losung genannt, aber da es ein internationales Gespräch war und der Mann sagte, es sei dringend, reichte ich den Hörer weiter. Es war überhaupt nicht dringend, es war eine Falle der Kommunisten, sie hatten ein Gerücht gehört und wollten es bestätigen. Von diesem Moment an hat Zinho mich geschnitten. Und der Rest der Familie ebenso. Danach die wenigen Freunde, die ich hatte. Aber das Schlimmste für mich ist, dass Zinho mich verstoßen hat. Ich glaube, er war es, der die Probe aufs Exempel machen wollte. Inzwischen hat die Geheimnistuerei aufgehört; er geht genauso ans Telefon wie ich. Im Gegenzug wurde die Sicherheit erneut verstärkt.
    IX
    Ich weiß, dass meine Geschichte Sie nicht interessiert. Sie müssen sich keinen Zwang antun. Sie müssen mir

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