K
wird. Unter den Leuchtreklamen sausen Automobile mit eingeschalteten Scheinwerfern dahin, durch das Dunkel gleitende Lichtbarkassen. Eine löst sich aus dem Strom und hält vor ihnen.
»Marylebone«, sagt Audrey dem Fahrer.
Im Taxi küssen sie sich und nehmen noch etwas Kokain. Audrey lässt zu, dass Serge ihr das Kleid von der Schulter streift; und während er ihren Brustansatz streichelt, fährt sie mit der Hand über seinen Schritt und den hart werdenden Schwanz. Ihre Wohnung liegt, wie seine, im ersten Stock und ist mit Strümpfen, Blusen und Hemdchen übersät. Während sie in die Küche geht, um zwei Gläser Whiskey zu holen, räumt Serge den Diwan frei und findet ein Liedblatt mit Bleistiftanmerkungen;
beim Überfliegen stellt er fest, dass der Text des »Brust«-Songs mehrfach überarbeitet wurde. Unter dem Liedtext liegt ein Flugblatt, das für eine wöchentlich in Hoxton Hall stattfindende, spiritualistische Sitzung wirbt. Sämtliche Papiere und all der andere Krempel werden auf den Boden gefegt, als sich Audrey zu ihm auf den Diwan setzt und ihm seinen Whiskey reicht. Sie nehmen beide einen Schluck und machen da weiter, wo sie im Taxi aufgehört haben. Audrey zieht ihm die Kleider aus, öffnet den Gürtel mit sicherem Griff und zieht ihm die Hose herunter. Als sie nackt sind, bittet er sie, sich umzudrehen.
»Warum?«
»Ich mag’s so.«
Als sie hinterher auf dem Diwan liegen, gibt sie leise Schnieflaute von sich. Erst denkt Serge, es läge am Kokain, doch als die kurzen, kleinen Schnieflaute andauern, begreift er, dass sie an seiner Brust schnuppert.
»Du riechst wie mein Bruder«, sagt sie.
»Ist das gut?«, fragt Serge.
»Ja«, antwortet sie. »Ich habe Michaels Geruch immer gemocht.«
»Jetzt nicht mehr?«
»Ich fürchte, heutzutage riecht er nicht mehr so gut«, sagt sie. »Er ist seit drei Jahren tot.«
»Der Krieg?«, fragt Serge.
»Verdun«, erwidert sie. »Allerdings hatten wir seither Kontakt.«
»Wie?«
»In Séancen.« Mit dem Finger malt sie einen Kreis auf seine Brust, als skizziere sie eine Gruppe, die um einen Tisch sitzt. »Er ist nicht jedes Mal da – eigentlich sogar ziemlich selten, aber hinzugehen tut immer gut.«
»Hoxton, richtig?«
»Woher weißt du das?«
»Ich habe übersinnliche Kräfte.«
Sie schnaubt verächtlich; die Finger ballen sich zur Faust, und sie trommelt auf seine Brust, während er mit der Hand nach unten langt, im Chaos unter dem Diwan herumfischt und ihr schließlich das Flugblatt hinhält.
»Ach, natürlich!«, kichert sie, öffnet die Hand und liebkost nun seine Brust. »Wenn du magst, nehme ich dich mal mit. Ist wirklich gut.«
Serge denkt an die Theorie seines Vaters über Strahlungsreste nach, über hin und her hüpfende elektrische Wellen. Das Amperemeter ist hier in London, in seiner Wohnung. Sein Vater hat ihn gebeten, Messungen an verschiedenen Stellen der Stadt vorzunehmen, eine Aufgabe, um die er sich bislang nicht gekümmert hat …
Sie versuchen zu schlafen, doch will es ihnen nicht gelingen, sie sind zu aufgekratzt vom Kokain. Audrey bietet an, etwas Veronal zu besorgen, das ihnen helfen soll, wieder runterzukommen, aber Serge hat eine weit bessere Idee: »Weißt du, wo es Heroin gibt?«
»Klar, Becky steht darauf.«
»Becky?«
»Die Amazone, die dem sumerischen Krieger den Kopf abgeschlagen hat. Sie hat dir im Boulogne gegenübergesessen.«
»Glaubst du, sie ist noch wach?«
»Gibt nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.«
Sie fahren mit dem Taxi nach Bayswater. Becky ist auf, hat aber kein Heroin. Allerdings weiß sie, wo man sich etwas besorgen kann, bei einer Frau namens Zinovia oder Zamovia in Primrose Hill.
»Sie hat eine Art Salon«, erklärt Becky.
Es ist schon spät am Vormittag, als sie schließlich in einem weiteren Taxi quer durch die Stadt fahren. Im West End lässt
Audrey den Fahrer anhalten, um bei Arthur Frank ein Paar Ballettschuhe abzuholen.
»Gefallen sie dir?«, fragt sie, zieht die Schuhe an und stemmt die Füße gegen die Trennwand zur Fahrerkabine, als der Wagen anfährt.
»Hat Dr. Arbus sie dir besorgt?«, fragt Becky in halb singendem Tonfall. Audrey nickt.
»Wer ist Dr. Arbus?«, will Serge wissen.
»Ihr Mentor«, erwidert Becky mit gespielt strenger Stimme.
»Beschützer«, setzt Audrey gleichermaßen ernst hinzu.
»Lehrer«, führt Becky weiter aus und nickt bedächtig.
Die beiden Mädchen fangen an zu lachen. Serge lacht mit, weiß aber nicht, warum, und schaut aus dem Fenster. Die
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