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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Straßen werden grüner, die Häuser größer und vornehmer. Eine Weile tuckern sie bergauf, dann halten sie vor einem Gebäude, dessen Eingang hellblaue Säulen säumen (Ionisch, denkt Serge, während sie auf Einlass warten). Ein Dienstbote öffnet, und Becky wechselt mit ihm einige Sätze, die weder Serge noch Audrey verstehen, doch als würde bei einem Kombinationsschloss eine Scheibe nach der anderen in die dafür vorgesehene Ausfräsung fallen, öffnet sich schließlich eine zweite Tür, und die drei werden eine mit dicken Teppichen ausgelegte Treppe hinaufgeführt in ein Wohnzimmer mit schwülstigen Wandbehängen, dämmrigem Rotlicht und gespenstisch lasziver Atmosphäre. Leute – manche mit Dinnerjacket, andere in Anzügen und wieder andere offenbar in eleganten Pyjamas – liegen im Zimmer verstreut umher wie die Kleidungsstücke bei Audrey, über Sofas drapiert, auf Teppichen in sich zusammengekauert, in tiefen Sesseln versunken.
    »Das ist ja wie der Opiumtraum des Moguls in Sunhine of the World«, wispert Audrey. »Du weißt schon, im ersten Akt, Niziam-Ul-Gulah oder wie der heißt.«

    »Niziam ist der Wesir«, flüstert Becky zurück. »Der Mogul heißt anders.«
    Audrey stupst Becky an: »Ist das nicht der Lord, der es auf Mabel abgesehen hat? Du weißt schon, dieser Politiker. Der, der da auf dem Sofa liegt mit dem Mädchen, das sich immer in der Lounge vom Denmark Street Hotel herumtreibt.«
    »Ich glaube, dass … «, fängt Becky an, als sie plötzlich nach Luft schnappt und japst: »Sieh doch, das ist der Typ, der in diesem Film mitgespielt hat, den wir letzte Woche gesehen haben.«
    Aufgeregt klammert sie sich sowohl an Serge wie an Audrey fest. Die schaut mit zusammengekniffenen Augen zu dem fraglichen Mann hinüber, kann Beckys Behauptung aber weder widerlegen noch bestätigen, da ihr die Sicht von einer älteren Dame verstellt wird, die ihnen mit lethargischem, katzenhaftem Schritt entgegenschwebt.
    »Mein Engel«, schnurrt die Dame – die Serge für ihre Gastgeberin, jene Zarovia oder Ferrovia, hält –, nimmt Beckys Hand zwischen ihre Hände und betrachtet die junge Frau lächelnd mit trägem, matronenhaftem Blick. »Wie schön, Sie wiederzusehen.«
    Ihre Stimme klingt rauchig, fremdländisch, womöglich griechisch oder russisch. Becky stellt Serge und Audrey vor, nach deren Händen sie gleichfalls greift. Ihr Händedruck ist schlaff, klamm; sie riecht nach Parfüm. Ihr matter Blick wandert schwerfällig von einem zum anderen, als sie fragt: »Was hätten meine Engel denn gern? Pfeife oder Spritze?«
    Die beiden Mädchen drehen sich zu Serge um, der antwortet: »Spritze, keine Frage.«
    Ihre Gastgeberin führt sie in eine Ecke, in der weiche Bodenkissen rings um einen persischen Teppich liegen, bittet sie, sich zu setzen, und entschwebt, um kurze Zeit später mit drei aufgezogenen Spritzen zurückzukehren. Serge setzt sich
die Spritze selbst, dann sieht er zu, wie Zoroastria erst Becky, dann Audrey die Spritze gibt. Als sie zu Audrey geht, beginnt der Zauber der Droge bei ihm bereits zu wirken; er sieht ein Luftbläschen durch die Flüssigkeit im Kolben aufsteigen, als Madame mit ihrem klammen Finger dagegentippt, und spürt, wie er selbst auch aufsteigt und die Schwerkraft wie Kleider abstreift, wie Vorhänge, Wandbehänge, Tapesterien …
    In den nächsten Wochen sind Serge, Audrey und Becky noch öfter in diesem Salon zu Gast. Damit sie auch allein kommen können, bringt Becky ihnen nach einer Weile die Abfolge der Passwörter bei: Zuerst muss der Besucher fragen, ob heute ein Klavierabend stattfindet, woraufhin der Hausdiener (nicht immer derselbe, da Madame Z rund um die Uhr geöffnet hat) wissen will, ob sie Chopin oder Liszt hören möchten, was der Besucher mit »Liszt« zu beantworten hat. Im Hauptraum steht übrigens tatsächlich ein Klavier, und gelegentlich spielt auch einer der Gäste eine Weile, doch wird kein Stück je zu Ende gespielt, ebenso wenig wie man eines der vielen Gespräche zu Ende führt, die hier und da eine Weile vor sich hin plätschern, meist aber ebenso rasch versiegen, wie sie aufgekommen sind. Serge lernt noch andere Passwörter kennen: eines für die Drogerie Woolridge & Co. in der Lisle Street, ein anderes für den Laden eines Tierpräparators in Holborn; in einem Süßigkeitengeschäft in der Bond Street muss er eine Vorliebe für eine gewisse Sorte Lakritze bekunden und ein Fläschchen Parfüm oder eine Schachtel Bonbons kaufen, um dann weit mehr zu

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