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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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entgleiten. Vereinzelt steigen sie stumm hinauf zum blinzelnden Mond und prallen von ihm ab hin zu Mars und Saturn, ehe sie an den Katzenmasken vorübergleiten und dann erneut Struktur und Form gewinnen entlang der Spaliere, die sie sanft erzittern lassen. Wenn Serge die Augen schließt, werden die Signale zu Bildern: Umrisse und Worte, in Licht vor schwarzer Leere gezeichnet, ausgelöscht, aufs Neue geschrieben, Welten, die entstehen und vergehen…
    Anfang November wird Serge zum Rektor der AA bestellt, zu Walter Burnet, Mitglied der Königlichen Gesellschaft der schönen Künste. An der Wand seines Büros hängen Photographien, auf denen die Hockeymannschaften der letzten Jahre zu sehen sind (seit zwanzig Jahren ist Burnet Trainer des Hockeyteams der Akademie).
    »Nicht viel für Sport übrig, wie, Karrefax?«, fragt er, als er Serges Blick bemerkt.
    »Nein, eigentlich nicht, Sir.«
    »Gut für die Gesundheit, körperlich wie geistig. Lehrt Teamgeist. Ein Architekt ist schließlich nur so gut wie die Mannschaft, mit der er zusammenarbeitet, und umgekehrt. Das impfen wir den Leuten hier von Anfang an ein: gemeinsame Besichtigungen von Baudenkmälern und so. Kann seine Mitspieler doch nicht schlapp werden lassen …«
    »Ich habe eher unabhängige Forschungen angestellt«, sagt Serge. »Das Zeichnen fällt mir leichter, wenn ich allein bin.«
    »Haben Sie denn was, das Sie mir zeigen können?«
    »Natürlich, Sir«, erwidert Serge. Er hat mit dieser Frage gerechnet und alle Skizzen, die er während seiner Mußestunden in Mrs Fox’ Café hingekritzelt hat, in eine große Mappe
gepackt, die er nun seinem approbierten Lehrmeister aushändigt.
    »Was sollen die darstellen?«, fragt Burnet.
    »Nun, eigentlich sind es Mischformen, Pläne für …« Serge geht in Gedanken die Taxonomie von Gebäudetypen durch und sucht nach einer passenden Vokabel, bis er sich schließlich für das Wort entscheidet, das ihm am besten zu passen scheint: »Denkmäler.«
    »Aha!«, sagt Burnet. »Ein lohnenswerter Aufgabenbereich. Darf ich also annehmen, dass Sie sich am Wettbewerb für das Kriegerdenkmal unserer Akademie beteiligen?«
    »Daran hatte ich noch nicht gedacht, Sir«, antwortet Serge achselzuckend.
    »Das sollten Sie aber, Karrefax, das sollten Sie. Die Beiträge werden anonym eingereicht; es gibt also keinen Grund, warum nicht auch einer von den Studenten gewinnen könnte.« Er blättert ein paar Skizzen durch und fragt dann: »Aber warum nur Grundrisse?«
    »Draufsichten mach ich am liebsten.«
    »Das sehe ich. Wie Sie allerdings zweifellos wissen, verlangt der Lehrplan fürs erste Jahr, dass Sie nicht nur Grundrisse, sondern auch Aufriss, Schnitt und Perspektive beherrschen. Was mich zu …«
    »Ich habe noch nicht richtig angefangen…«, sagt Serge, aber Burnet unterbricht ihn: »Was mich zu der Frage nach Ihrer Anwesenheit in den Seminaren bringt. Mr Lynch hat sich leider bei mir beklagt, dass er Sie während des ganzen Semesters nur ein einziges Mal gesehen hat.«
    »Perspektivisches Zeichnen fällt mir einfach schwer«, sagt Serge.
    »Das sollte Ihre regelmäßige Anwesenheit umso wichtiger machen… wie auch die Tatsache, dass Ihre Mitgliedschaft in unserer Institution dies schlichtweg verlangt.«

    Serge weiß darauf nichts zu sagen. Burnet steckt die Zeichnungen zurück in die Mappe und reicht sie ihm, schaut Serge eine Weile stumm an, um dann in sanfterem Ton fortzufahren: »Ich weiß, sich wieder anzupassen ist nicht immer einfach.«
    »Es kommt mir nur merkwürdig vor, Dinge im Relief zu zeichnen, wenn sie doch…«
    »Nein, Karrefax, ich rede nicht von Ihrem Problem mit der Perspektive. Ich meine das Leben in Zivil. Sie haben den Krieg mit all seinen Schrecken erlebt und …«
    »Aber der Krieg hat mir gefallen«, unterbricht ihn Serge.
    Diesmal ist es Burnet, der nicht weiß, was er sagen soll. Besorgt ziehen sich seine Brauen zusammen, während sein Blick von links nach rechts über Serges Gesicht wandert, als versuche er, dessen flache Unergründlichkeit in eine Art Relief umzudeuten.
    Offen erwidert Serge den Blick und bietet ihm seine Züge zur Betrachtung dar. Es gibt keinen Grund, sich zu widersetzen: Leute wie Burnet werden das dort Vergrabene nie zutage fördern, werden es nie heben oder bändigen können; Serge ist seiner Mannschaft nicht beigetreten und hat auch nicht die Absicht, es zu tun. Außerdem glaubt er den Schmäh nicht, der von den Zeitungen verbreitet wird, dass nämlich mehrere Zehntausend

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