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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Aufmerksamkeit des Leiters auf sich zu ziehen, doch vergebens. Serge kann die nächsten dreizehn Buchstaben ungehindert durchgeben und diktiert den Satz ALLESSCHWINDE.
    »Ja, so ist es, alles schwindet dahin«, murmelt jemand neben ihm.
    L fügt er rasch hinzu.
    Mittlerweile ist es Schlapphut gelungen, die Aufmerksamkeit des Veranstaltungsleiters auf sich zu ziehen. Letzterer scheint kurz vor einem Schlaganfall zu stehen und starrt ihn mit weit aufgerissenen Augen an, als wollte er ihm sagen: Reiß dich zusammen! Doch dazu ist Schlapphut nicht in der Lage. Selbst von hinten merkt Serge ihm an, dass er in Panik gerät. Der Kopf zuckt von links nach rechts; die Hand ist nicht einmal in der Nähe der Jackentasche.
    »Hier steht ALLESSCHWINDEL«, liest die Sekretärin fassungslos vor. »Wer spricht da? Wer sind Sie?«
    SCHEISSAUFDOBAI, diktiert Serge. Der Veranstaltungsleiter ist so sehr darum bemüht, sich mit Schlapphut zu verständigen, dass er nicht länger darauf achtet, welche Buchstaben angeschrieben werden. Als er endlich wieder zur Tafel sieht, ist die letzte Botschaft um folgenden Satz ergänzt worden: AUDREYICHBINSSERGE.
    »Ich glaube, wir sollten die Sitzung abbrechen«, sagt der Leiter. »Miss Dobai ist offensichtlich…«

    Doch er ist längst nicht mehr Herr der Lage. Trotzig hebt die Dame die Stimme und fährt fort, die Buchstaben anzusagen. Während Audrey ihn mit offenem Mund anstarrt, holt Serge zum entscheidenden Schlag aus: TISCHKONTROLLIERT-VOMMANNMITSCHLAPPHUT.
    Jedes Geräusch im Saal verstummt, sobald der letzte Buchstabe ausgezählt wurde. Alle Blicke richten sich auf Schlapphut, der, als würde dies noch einen Unterschied machen, sich ebendiesen vom Kopf zieht, ehe er zur Tür stürzt, doch verhindern zwei kräftige Männer seine Flucht. Im anschließenden Gerangel fällt ihm die Fernbedienung aus der Jacke.
    »Zwei Volt«, kommentiert Serge. »Ich hätte viel niedriger rangehen können.«
    Auf der Bühne erwacht Miss Dobai aus ihrer Lethargie, springt auf und eilt zur Seitentür, durch die der Sitzungsleiter bereits verschwunden ist. Zwei weitere Männer wollen sie aufhalten, doch zu spät: Mit ihrem ganzen Gewicht werfen sie sich gegen die Tür, ehe sie merken, dass die sich in den Raum öffnet. Also ziehen sie die Tür auf und jagen dem Duo hinterher. Das Publikum stürmt die Bühne, drängt an der Sekretärin vorbei, die wie betäubt mit dem Stift in der Hand an ihrem Pult hockt, stürzt sich auf den Tisch und zerrt daran herum, als hätte dieses Möbelstück sie willentlich getäuscht. Neben Serge beginnt eine Frau zu schreien. Sie könnte Pauls Mutter sein, doch ist er sich nicht sicher. Der Saal tobt, Frauen kreischen, Männer brüllen, rennen umher und schnappen sich andere Männer, von denen sie annehmen, sie seien am Betrug beteiligt. Es kommt zu Handgreiflichkeiten. Serge bahnt sich einen Weg durch die Menge, geht nach vorn zur Bühne – die sich leert, da die Leute einem armen, unschuldigen Kerl nachjagen, der sich von ihnen losgerissen hat und nun auf den Ausgang zurennt –, geht die Stufen hinauf und tritt an den Tisch. Er ist in zwei Teile zerbrochen, die Platte glatt vom Fuß
getrennt – nein, nicht ganz glatt; das Holz ist an den Bruchkanten zersplittert. Und zwischen einzelnen Splittern sind an der Tischunterseite die Rädchen eines kleinen, automatischen Scharniers zu sehen, daneben klebt an der Innenseite des hohlen Tischbeins ein Empfänger mit Fritter und Entfritter, Relais, Batteriestromkreis und zwei Antennen, die fast identisch mit denen sind, die Serge leicht unterm Arm scheuern. Er beugt sich vor und nimmt die zerschmetterte Apparatur genauer in Augenschein. Der Tisch ist immerhin echt. Das Holz ist alt und beginnt zu faulen. Ein kleines Insekt, eine Art Holzbock, krabbelt hervor und huscht über die Drähte der Leiterplatte zu der Öffnung, die sich wundersamerweise wie ein neuer Himmel über ihm aufgetan hat. Der Insektenleib ist dunkel, feucht, fast wie Öl, wie Tinte. Serge sieht ihm eine Weile zu, wie er nach oben davonwuselt, dann dreht er sich um und geht.
    Selbst draußen vor dem Saal kommt es noch zu Raufereien. Die Leute rennen die Hoxton Street rauf und runter, verfolgen oder werden verfolgt, in manchen Fällen beides zugleich. Anwohner, die gar nicht bei der Sitzung waren, werden ins Handgemenge verwickelt. Audrey steht mitten auf der Straße und wirkt so katatonisch wie Miss Dobai vor ihrem plötzlichen Abgang. Serge nimmt sie am Arm und führt sie zur

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