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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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auf seinem Fingerknöchel, wischt ihn am Handgelenk ab und denkt dabei an Widsuns Appendix, an seine Prolegomena.
    Nachdem er noch einmal neue Seiten eingelegt hat, tippt er mit Blick auf Rosette: »PUDENDUM ADDENDUM.«
    Dann steht er auf und geht ins Iris-Kino. Da ist er oft. Zurzeit läuft Love’s Madness , den Film hat er schon dreimal gesehen. Zwar gibt es einige Kneipen in der Nähe, doch spürt er keine Lust hinzugehen. Ihm gefällt der Rhythmus: Erst tippen, sich dann einen Film anschauen, von dem er jede Bewegung kennt und vorhersehen kann, nach Hause zurückkehren, die zuvor geschriebenen Seiten erneut durchlesen und schließlich noch ein wenig mehr tippen. Manchmal sitzt er auch nur da, fährt mit dem Daumen über das Kohlepapier und lässt die schimmernde Schwärze auf sich abfärben, während er durch das glaslose Fenster in jene andere Schwärze sieht, in die vor dem Fenster. Geräusche dringen herein: Musik aus Cafés, das Klappern von Blechtassen, Schiffssirenen aus dem Hafen. Im Hintergrund und nicht so gut zu hören, doch ebenso beharrlich, ein Rascheln und Zischeln, das die Stadt zu jeder Stunde belebt. Alexandrias Luft ist elektrisch geladen, aufgeraut von atmosphärischen Störungen: Gelegentlich zucken Blitze über den Himmel, künden jedoch niemals Regen an; Leuchtkäfer glimmen und verblassen wie falsch verkabelte Glühbirnen. Manchmal kommt es Serge vor, als lauere im Pulsschlag der Stadt, in ihrem stakkatohaften Strömen, eine unerwiderte
Sehnsucht. Die hört er im Gesang der Muezzins, der sich durch vergitterte Balkone fädelt, hört es in den Rufen der Händler, dem von Palmenwedeln gedämpften Wehklagen der Bettler. Vor allem aber hört er es in Petrous Stimme, in ihren exilierten, schwebenden Kadenzen – und er sieht es in Petrous Gesicht, seinem Körper, der ständig seitwärts gewandten Haltung: eine Sehnsucht nach einer Welt, die entweder längst verschwunden ist oder die noch kommt, vielleicht auch einer, die schon immer war, wenn auch an einem anderen Ort, in einer Dimension, wie Euklid sie nie ersann, die aber dennoch in asymptotischem Winkel von ihm reflektiert wird, und zwar – wie es zunehmend den Anschein hat – direkt zu Serge.
    Ende Februar bahnt sich Serge eines Morgens den Weg zum Ministerium durch Straßen voller jubelnder Ägypter.
    »Unabhängigkeit«, informiert ihn unwirsch ein Kollege, als er das halb leere Gebäude betritt. »Ferguson möchte Sie sehen.«
    »Unabhängigkeit«, wiederholt Ferguson gleichermaßen unwirsch. »Wäre vermeidbar gewesen, hätte man das wirklich gewollt. Unter uns, dem Milner habe ich nie getraut. Allerdings hat er denen ein großes Zugeständnis abgerungen, jedenfalls sofern es uns betrifft.«
    Verschwörerisch mustert er Serge, als wäre klar, was damit gemeint war. Ausdruckslos erwidert Serge seinen Blick.
    »Kommunikation!«, faucht Ferguson. »Großbritannien behält sich das Recht vor, in Ägypten weiterhin sowohl militärische wie auch zivile Dienststellen zum – wie es wortwörtlich heißt – ›Schutz seiner Imperialen Kommunikation‹ zu unterhalten.« Seine Hand taucht in die Keksschüssel auf dem Tisch, tapst umher, findet jedoch nichts. »Ishak Effendi!«, hebt er an, verstummt dann aber. »Opportunist. Der Hälfte der Leute hier kann man nicht trauen. Wahrscheinlich sind
sie in zwei Wochen wieder da, auf Stellen befördert …« Er schüttelt den Kopf, erinnert sich dann, warum er Serge eigentlich rufen ließ, und sagt: »Sie werden nach Kairo versetzt. Befehl kam über Macauleys Leute, unmittelbar bevor unsere Funker ihren Platz verlassen haben. Scheint, diese Unabhängigkeitssache hat Kairo, Whitehall oder egal was für ein schlecht informiertes Sub-Sub-Komitee, das die Angelegenheit im Moment betreut, endlich zum Handeln gedrängt: Man will die ägyptische Station nun doch noch aufbauen und in Betrieb nehmen.«
    »Wann fahre ich ab?«, fragt Serge.
    »Übermorgen. Also ziehen Sie los und packen Sie Ihre Sachen.«
    »Und mein Bericht?«, fragt Serge. »Er ist fertig. So gut wie.«
    »Was für ein Bericht?«
    »Perspektive. In drei…«
    »Ach der, stimmt. Legen Sie ihm meinem Sekretär in den Eingangskorb …«
    Petrou besteht darauf, den letzten Nachmittag mit Serge zu verbringen. Er geht mit ihm ins Museum. Das Gebäude ist fast leer. Die Ägypter feiern die Unabhängigkeit, die Europäer haben sich verkrochen, und keiner hat Augen für das angesammelte Strandgut der Flickenteppichvergangenheit dieser Stadt. Die

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