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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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stößt er schließlich auf Macauley, der mitten in einem Zimmer steht und den Abtransport von Kisten mit Akten überwacht, die zuvor drei Bürowände vom Fußboden bis zur Decke eingenommen haben.
    »Ich bin Macauley«, sagt sein neuer Chef salopp, ein untersetzter Mann Mitte bis Ende fünfzig. »Falls Sie von der Buchhaltung kommen, werden Sie warten müssen, bis ich umgezogen bin. Die Tabellenkalkulationen sind alle eingepackt.«

    »Nein, ich heiße Karrefax«, erwidert Serge.
    »Und was soll mir das sagen?«
    »Serge Karrefax. Ich bin gerade aus Alexandria eingetroffen und für die Funkstationenkette eingeteilt. Ich soll …«
    »Ach, ja«, sagt Macauley und wendet ihm zum ersten Mal das Gesicht zu. »Widsuns Junge. Hab Sie schon vor einiger Zeit erwartet.«
    »Ich wäre früher gekommen, sollte aber erst… Ich habe ihn bei mir.«
    Er öffnet seine Mappe, fischt den zweiten Durchschlag seines détaché -Berichts heraus und übergibt ihn.
    »Was soll ich denn damit?«, fragt Macauley und wirft ihn in eine Kiste, die gerade aufgehoben und aus dem Zimmer getragen wird. »Erst kommen Sie drei Wochen zu spät, dann sind Sie eine Woche zu früh dran.«
    »Zu früh?«, wiederholt Serge.
    »Wir ziehen ins Zentralgebäude. In diesen Büros hier kümmert man sich dann nur noch um die Abwicklung, die Einarbeitung einheimischer Minister, Beratung, künftige Zusammenarbeit und ähnlichen Unsinn …«
    »Und die Kette von Sendestationen?«
    »Ach, damit machen wir weiter, allerdings parallel: in Abu Zabal und noch einem Ort. Das ist dann Ihre Aufgabe – aber noch nicht. Kommen Sie in einer Woche wieder. Nicht hierhin, kommen Sie zum Zentralgebäude. Bis dahin sollte das hergerichtet sein.«
    »Und was soll ich in der Zwischenzeit tun?«, fragt Serge.
    »Schlafen Sie aus, gegen Sie auf Empfänge, kaufen Sie sich irgendwelchen Schnickschnack. Sollten Sie Pollard und Wallis auftreiben können, lassen Sie sich von denen zu der Unterkunft bringen, die wir für Sie bereitgehalten haben – falls sich da noch nicht irgendein sturer Mob breitgemacht hat …«

    Das Haus in der Nähe des Ezbekijeh-Gartens ist unversehrt. Von der Terrasse, auf der er jeden Morgen Kaffee trinkt, sieht er die Sonne über den Dächern von Heliopolis, den Hängen von Mokatem und der sich bis Matary hinziehenden Stadt der Toten aufgehen. Die Abende verbringt er mit Macauleys Männern, den nur wenige Jahre älteren Wallis und Pollard. Nachdem sie ihn in Orosdi-Backs’ Warenhaus mit Schlips und Schwalbenschwanz ausgestattet haben, nehmen sie ihn auf Empfänge mit, ganz wie ihr Vorgesetzter es vermutet hatte: Empfänge auf der Nilinsel Gezira, in Turf- und Jockeyklubs, dem Mena-Haus, in den Hotels Shepheard und Continental oder auf schlossähnlichen Privatanwesen in Maadi, Abdine und Khalifa. An einem dieser Abende, veranstaltet von Conte Mario de Villa-Clary, dem Vorsitzenden der maltesischen Kolonie in Kairo, ist ein mit Unmut durchsetztes Misstrauen deutlich spürbar: bei den Maltesern, weil sie finden, dass die britischen Beamten sie nie so recht als »echte« britische Untertanen akzeptiert haben; den Briten wiederum sind die ihre Canapés kauenden und dabei von ihren Betrügereien, von Doppeltricksereien und Billig-Flaggen-Seefahrt erzählenden Malteser nicht geheuer. Am alljährlichen Festabend des Kairoer Vereins für Hortikultur wird die Stimmung zudem durch die Wahl eines Speisekartenbilds getrübt, das die Mehrzahl von Serges Tischgenossen geschmacklos findet: Es trägt den Titel »De Metamorphosibus Insectorum Surinamensium« und zeigt einen Palisadenbaum, befallen von der in allen Phasen ihres Lebenszyklus dargestellten Seidenraupe Arsenura armida. Da Serge mit insektoiden Mutationen seit der Kindheit vertraut ist, hat er keine Probleme mit Panzern und Antennen, die sich solcherart ineinander verschränken, dass sie ein Geflecht ergeben, in dem die Worte »Spargel«, »Rückenstück« oder »Parfait« zu sehen sind; im Gegenteil, ihm gefällt das Bild so gut, dass er sich, ehe man den Tisch
abräumt, eine Speisekarte in die Jackentasche steckt, um sie als ein Andenken mit nach Haus zu nehmen.
    An den meisten Tagen schlendert er über die Märkte, die Antiquitätenmärkte, und kauft, wie Macauley ihm geraten hat, irgendwelchen Schnickschnack – Henkelkreuze und Skarabäen, Siegelringe, Papyri und Halsketten. Skarabäen gibt es in allen Farben und Formen: viereckig, oval, verziert, manche mit Käferpanzern auf dem Rücken, andere mit Bildern

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