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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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bebilderter Schildpfosten. Sie übermittelten Darstellungen aus dem früheren Leben des Verstorbenen in die Unterwelt und brachten von dort Bilder aus seinem neuen Leben – das natürlich eine bessere, schönere Version des alten war.«
    »Zweiwegige Schattenkreuzröhren«, murmelt Serge, »den Tod gibt es überall auf der Welt.«
    »Was?«
    »Nichts. Und wo ist das Grab selbst?«
    »Hier unten«, sagt sie und verschwindet wie eine Ratte in dem Loch. Mit den Füßen voran lässt sie sich dann hinab und greift dabei haltsuchend nach Serges Arm. Sobald sie ihn loslässt, klettert er ihr nach und arbeitet sich durch einen langen, schräg hinabführenden Schacht voran, in den hier und da ein Halt für die Füße eingegraben wurde. Die Tunnelwände sind feucht, ölig; der Draht führt ungesichert bis nach unten. Als Serge einen großen, von elektrischen Lampen erhellten Raum betritt, begreift er, dass der Draht Strom führt, und sieht, dass seine Hände dreckig sind.
    »Bitumen«, sagt Laura und zeigt ihm ihre ebenfalls schwarzen Hände. »Ich hoffe, Sie haben Kleider zum Wechseln dabei.«
    Er schaut sich um. Die Nummern, die er auf den Photographien gesehen hat, sind immer noch an Ort und Stelle, stehen jetzt aber neben leeren Flächen; manche Nummern bewachen allerdings auch Gegenstände, die noch nicht nach oben gebracht wurden: Alabastergeschirr, Kupferpfannen, Tonscherben.
    »Bitte nichts verrücken«, sagt sie.

    »Was ist das da?«, fragt er und zeigt auf drei Elfenbeinstatuetten.
    »Figuren, in denen Ka , die Seele, haust.«
    »Sieht aus, als sollten sie ein und denselben Menschen darstellen und wären nur in der Größe verschieden.«
    » Stimmt auch, wenn eine zerbricht, wandert Ka in die nächste; außerdem zeigen sie den Toten in verschiedenen Phasen seines Lebens – Kindheit, Jugend, Alter –, sodass er alle drei aufs Neue erleben und sogar zugleich genießen kann.«
    » Wo geht’s da hin?«, fragt er und deutet auf eine weitere, steintafelgroße Lücke.
    »In eine Kammer, die wir noch nicht aufgenommen haben. Möchten Sie rein?«
    »Ja.«
    Sie greift nach einer Taschenlampe mit Zink-Karbon-Batterie und verschwindet erneut wie eine Ratte in dem Loch, hinter dem ein weiterer, abwärtsführender Schacht beginnt. Serge hilft ihr, Fuß zu fassen, und folgt ihr dann nach. In diesem Schacht gibt es keinen Strom, auch nicht in der Kammer, in der er endet. Das Licht der Taschenlampe schält einzelne Gegenstände aus dem Dunkel: mehr Tonscherben, Bruchteile eines Sargs, eine Teedose, auf der »Lipton« steht…
    »Wir fangen hier an, sobald wir das obere Grab ausgeräumt haben«, sagt sie.
    »Sehen Sie, es geht noch weiter!«, entfährt es Serge, als er eine weitere Öffnung in der Wand entdeckt. Seine Begeisterung wächst, angefacht von der Dunkelheit, der Tiefe, vielleicht auch von beidem.
    »Sie führen immer weiter, einfach endlos! Welchen Weg sollen wir nehmen?«
    Ihr Licht springt von einer Wand zur nächsten; in beiden klafft ein Loch. Serge sieht sie sich an und verkündet dann: »Hier entlang.«

    Der Schacht führt noch ein wenig tiefer, dann wieder steil nach oben. Sie steigen auf, dann wieder ab. Manchmal geht es auch ein Stück nur geradeaus. Serge ist, als wäre er in einem Abwasserkanal, der Grund glitschig, die Wände wie aus Molasse. Es riecht auch so.
    »Fledermauskot«, sagt sie, verliert fast das Gleichgewicht und greift nach seiner Hand.
    »Das reinste Bordell«, sagt er, als der Gang in eine weitere Kammer führt. Mehrere Särge liegen auf dem Boden, umgedreht und leer; überall sind Leinenfetzen und zerschlagenes Geschirr zu sehen. Eine alte Metalllampe steht neben einem Schutthaufen auf der Erde.
    »Sieht aus, als wäre die obere Kammer eingestürzt«, sagt Laura.
    Sie eilen weiter durch Kammern, um die sich weder Falkiner noch Laura, wahrscheinlich auch sonst niemand jemals kümmern wird, und treten dabei immer wieder auf Leinen oder Keramikscherben. Auch auf Knochen: Serges Fuß stößt an etwas, was sich wie Kniegelenke anfühlt, wie Knöchel, Schienbeinknochen. Manchmal wird der Durchgang so flach, dass sie kriechen und sich über pechverschmierte Böden hangeln oder vorwärtsschieben müssen. Alles ist beschriftet: Töpfe, Bandagen, sogar die Wände selbst. Einmal halten sie außer Atem inne und ruhen sich, immer noch auf den Knien, in einer Kammer aus, die so vollgestopft ist, dass ihnen die früheren Kammern dagegen wie ordentlich geführte Haushalte vorkommen.
    »Wessen Grab ist

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