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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Tagesschülern zu, die eine schwere Tasche über den Kies schleppen und zerren – doch da die Jungen nicht zu ihm hinübersehen, entgeht ihnen seine Sorge. »Ist zerbrechlich«, erklärt er Karrefax wie zur Entschädigung dafür, dass er von den Jungen ignoriert wird. »Ein Geschenk für dich und deine Familie.«
    Und es ist ein wirklich gutes Geschenk, ein Projektionskinetoskop. An seinem ersten Abend in Versoie lässt Widsun den Apparat nach dem Essen zum Maulbeerrasen bringen, baut ihn auf und wirft auf das zwischen zwei Bäumen gespannte Bettlaken bewegliche Bilder von Feuerwehrleuten, die auf den Trittbrettern ihrer Feuerwehrautos durch London rasen, dann von Kleidungsstücken, die aus Wäschekörben hüpfen, sich über den Boden schlängeln und in Waschmaschinen werfen, die sie darauf herumwirbeln und waschen, alles ohne Zutun von Menschenhand. Sämtliche Hausbewohner haben sich zu diesem Spektakel eingefunden. Mr und Mrs Karrefax ruhen in großen Liegestühlen; Miss Hubbard und Mr Clair sitzen neben ihnen auf Holzstühlen; Serge und Sophie liegen bäuchlings im Gras; Maureen und die übrigen Dienstboten stehen dicht zusammengedrängt auf einer Seite. Nur Bodner fehlt: Er wirft einen Blick auf die Filmapparatur, scheint aber nicht sonderlich beeindruckt, fast, als würde er all das bereits kennen, und schlendert dann in Richtung Garten davon. Widsun steht im Hintergrund, neben dem Projektor, und kündet jeden Film
an, während er den Zelluloidstreifen zwischen Rollen und Zahntrommeln einfädelt.
    »Dieser Film heißt Per Funk erwischt «, erklärt er, als sich das Flackern beruhigt und eine häusliche Szene mit einer kompromittierten Frau und einem keineswegs grundlos misstrauischen Mann sichtbar wird. »Und dieser hier zollt der französischen Herkunft unserer Gastgeberin Tribut: Voyage dans la lune , ein Werk des artiste Méliès.«
    »Komisch, dass die Titel haben«, sagt Mr Clair, als das vom Kurs abgekommene Raumschiff eines Wissenschaftlers dem pockennarbigen, traurigen Mond mitten ins Gesicht fliegt. »Sollten die Kinder nicht ins Bett?«
    »Papperlapapp!«, spöttelt Karrefax. »Schließlich können sie nicht jeden Abend Zeugen interplanetarer Raumfahrt sein.«
    Doch jeden Abend sehen sie Kinetoskopprojektionen. Es wird zum Ritual: Kaum ist das Abendessen vorbei, wird das Laken hochgezogen, Stühle werden bereitgestellt, und Rolle um Rolle wird in den Apparat eingelegt. Serge nimmt die Geräusche des durchs Bildfenster ratternden Zelluloidstreifens mit bis ins Bett, hört sie, lang nachdem der Apparat ausgeschaltet wurde, in seinen Ohren noch klicken und klappern, realer und lebendiger als das Plätschern des Flusses, das Zirpen der Grillen. Jedes Mal, wenn Widsun eine neue Rolle einspannt und laufen lässt, spürt Serge eine Welle freudiger Erregung durch die Rollen und Zahntrommeln seines Körpers strömen, wird sein Geist eins mit dem hellen Laken, erleuchtet von den Möglichkeiten dessen, was in den nächsten Sekunden darüber hinwegtanzen könnte, diese unglaublichen Metamorphosen, Motten- und Mückenschatten, die sich in hüpfende Kleckse und Streifen verwandeln, dann die ersten wackligen Bilder, Wäschestücke, die zu künstlichem Leben erwachen.

    Widsun bleibt länger als eine Woche in Versoie. Über Rühreiern mit Hering studiert er jeden Morgen aufmerksam die Kleinanzeigen der Times .
    »Einfach unglaublich; diese Trottel glauben tatsächlich, mit Zaunchiffre bliebe ihr unerlaubtes Treiben unerkannt. Den Kode knack ich doch, noch ehe mein Ei kalt wird, nicht?«
    »Was schreiben sie denn?«, fragt Sophie.
    »Hmmm, lass mal sehen. Ist ein dreireihiger Zaun, a, d, g… d-a-r-l … Hab’s: ›Darling Hepzibah‹ – Hepzibah? Was soll das denn für ein Name sein? –, ›Treffe dich in Reading, Sonntag 15.25 Uhr, Zug Didcot – Reading.‹ Verstehe euch klar und deutlich, ihr Stümper.«
    »Glaubst du, sie wollen durchbrennen?«, fragt Sophie.
    »Damen stellen keine derartige Fragen«, sagt Maureen und räumt die Teller ab. »Sie trinken auch keine drei Tassen Kaffee.«
    »Der hier benutzt immerhin Atbash«, fährt Widsun fort.
    »Nun sag schon, was steht da!«, zwitschert Sophie, schüttet Milch in den dunklen Tasseninhalt und gleitet von ihrem Stuhl, um zu ihm hinüberzugehen.
    »V für e… «, murmelt Widsun. »Q als Leerzeichen… Gib mir noch eine Sekunde …« Sophie lehnt sich an seine breiten Schultern, schaut drüber hinweg auf die Zeitung und folgt dem Stift, der zwischen dem

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