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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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Fliegen sind / Den müß’gen Knaben, das sind …‹ «, beginnt Widsun, aber Karrefax unterbricht ihn: »Ich arbeite an einem Patent, wie man Funk zur Wettervorhersage nutzen kann. Die Wellen gehen schließlich da durch. Warum bist du noch nicht in deinem Kostüm?« – Letzteres zu Serge, der gekommen ist, ihn etwas zu fragen.
    »Ich setze die Maske erst später auf. Miss Hubbard will wissen, auf welche Lautstärke sie den Verstärker stellen soll.«
    »Verstärker – wie?«
    »Wen stellt er denn dar?«
    »Ascalaphus«, erwidert Serge.
    »Das ist der Zeuge, stimmt’s? Sieht, wie sie eine Grapefruit oder irgendwas isst…«
    »Zeuge ist richtig«, antwortet Karrefax. »Aber Granatapfel. Sag ihr, sie soll ihn auf mittlere Lautstärke stellen und auf mein Signal achten. Nun lauf !«
    Serge saust zurück zu Klassenzimmer Eins. Ausgezogene Kleider liegen über den Boden verstreut, und alle Stühle wurden ausgeräumt bis auf einen, auf dem seine Mutter sitzt und letzte Hand anlegt, Plissees, Schuppen und Federn annäht, die geduldigen Kostümträger mal hierhin, mal dorthin dreht. Miss Hubbard steht am Fenster, übt mit dem Chor, dirigiert und lässt einzelne Schauspieler zugleich ihren Text aufsagen, ein Höllenlärm, bei dem sie selbst die eigenen Worte durcheinanderbringt.
    »›Mit tiefgehender Flut… um diese Maid … Pergusa lautet…‹ Nein, fang noch mal von vorn an. Wo ist dein Eulenkopf?«, fragt sie Serge.

    Serge zeigt in eine Ecke. Die Maske starrt ihn mit großen goldenen Augen an, die Mitte wie bei einer Grammophonplatte von einem runden Loch durchbohrt.
    »Vater meint, Sie sollen auf mittlere Lautstärke stellen und auf sein …«
    »Jetzt nicht, Serge. Bring die Maske zum Maulbeerrasen. Leg sie zu den übrigen Requisiten hinters Laken. Nicht aufhören! ›Mit tiefgehender Flut …‹« Erneut stimmt sie den Singsang an. An ihr vorbei erhascht Serge durch das Fenster einen Blick auf Bodner, der eine Karre voll Blumen und Laub zur Bühne fährt.
    Um zwei Uhr betüpfeln einige Regentropfen Maureens und Friedas Tischtuch. Doch das Wetter hält: Um Viertel vor drei ist es windig und ein wenig kühl, aber trocken. Der Kies auf dem Weg knirscht unter den Schritten der eintreffenden Gäste; gemurmelte Begrüßungen schwellen zu einem lauten Durcheinander an, das nur vom Geklirr der Tassen und Unterteller sowie gelegentlichem Frauenlachen durchbrochen wird. Um fünf vor führt Miss Hubbard die Schauspieler aus den Klassenzimmern zum Maulbeerrasen, begleitet von den anerkennenden«Aahh!«s und hingekeuchten «Oh, sieh doch!« einiger Eltern, die ihre verkleideten Söhne und Töchter wiedererkennen – Ausrufe, die Miss Hubbard veranlassen, die Arme in dem vergeblichen Versuch auszubreiten, ihre Akteure nicht allzu früh dem Publikum zu zeigen. Sie errötet, als sie die Kleinen hinters Laken scheucht, das zwischen denselben zwei Bäumen aufgespannt wurde, wo es bereits als Leinwand für Widsuns Filme diente, da es eine größere Garderobe bietet, vielmehr einen größeren Bühnenhintergrund, als die bei früheren Historienspielen genutzten, frei stehenden Wandschirme.
    Ein elektrisches Knistern lässt die versammelte Menge aufmerksam verstummen. Es wiederholt sich noch zweimal, dann erklingt Musik, die laut beginnt, aber fast sofort heruntergeregelt
wird, bis sie kaum mehr zu hören ist, um dann wieder etwa auf die Lautstärke der allgemeinen Unterhaltung hochgefahren zu werden. Miss Hubbard lugt nervös hinter dem Laken hervor und sucht die Menge nach Karrefax ab, der die Gäste zu ihren Plätzen führt. Sobald alle sitzen, hebt er die Hände. Er steht vor ihnen auf einer Rasenbühne, die mit verschiedenfarbigen Seidenstreifen ausgelegt wurde; die Musik verstummt abrupt, und er sagt:
    »Meine Damen und Herren: Für unseren klassischen Zyklus – Die Versoie-Mysterien – beginnt eine neue Phase, ganz wie wir dies auch von unseren menschlichen Zyklen kennen. Die heutige Geschichte handelt von Persephone – aber ist sie nicht zugleich unsere eigene? Sind nicht auch wir aus dem Stoff, aus dem die Träume sind, Träume wie … sind wir das nicht alle… ?«
    Ein weiteres Knistern unterbricht seine Ansprache. Elektrischer Vogelsang dringt durch das Laken und erfüllt die Luft. Karrefax wartet, dass das Zwitschern aufhört; als das nicht passiert, eilt er geduckt zu dem Stuhl, der ihm in der ersten Zuschauerreihe freigehalten wurde. Neben ihm sitzt seine Frau, daneben Widsun. Serge steht hinter dem Laken und

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