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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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kodierten Text und einer im Galgenmännchenstil niedergeschriebenen Reihe Buchstaben hin und her fliegt, hier zufügt, dort streicht. »Fertig: ›Rose. Der Duft deines Busens hängt noch in meinen Kleidern, beseelt meine Gedanken. Müssen uns nächste Woche wiedersehen. Gib auf diesem Weg Bescheid, wenn Piers nicht da ist.‹ Was für ein niederträchtiger Schuft! Am liebsten würde ich ihm antworten.«
    »Au ja, antworten wir!«, quiekt sie und trommelt ihm mit beiden Händen auf den Rücken. »Du kannst mir den Kode beibringen.«

    »Mein entzückendes Kind, nichts würde mir mehr Vergnügen bereiten.«
    Rasch zieht er sich mit ihr auf sein Zimmer zurück, und dort verbringen sie den ganzen Vormittag, brüten über Zeilen in Skytale, im Cäsar-Kode und in Vigenère-Verschlüsselung. Widsun beugt sich über Sophie, das Kinn knapp über ihrem Haar, und korrigiert hier und da einen Buchstaben. Serge will mitmachen, aber die Ziffernfolgen, das Austauschen und Ersetzen sind für ihn zu wirr, als dass er Schritt halten könnte. Nach einer Stunde sitzt er bloß noch am Sekretär und spielt mit Widsuns persönlichem Tinten- und Siegelkasten, drückt dessen Signatur auf die Regierungsbriefbögen, die sich der Mann aus London mitgebracht hat, und dann, als die keinen Platz mehr bieten, auf seinen Unterarm.
    »Verschwinde«, sagt Sophie. »Mach was anderes.«
    »Du hast mich nicht rumzukommandieren«, faucht Serge. »Und wenn Papa wüsste, was hier vorgeht, würde ihm das bestimmt nicht gefallen.«
    Das stimmt. Karrefax hasst Kodes, Chiffren und Verschlüsselung. »Verstößt gegen das Prinzip der Kommunikation«, knurrt er Widsun missbilligend bei einem nachmittäglichen Brandy nebst Zigarre zu.
    »Sichere Kommunikation«, erwidert Wilson und stochert mit seiner Zigarre so präzise in der Bibliothek herum, als wäre ihr brennendes Ende ein Stöpsel, den er in eine unsichtbare Fernamtsbuchse stopfen wollte.
    »Sicher? Wovor? Vor wem?«
    »Vor Feinden.«
    »Sind hörende Menschen die Feinde tauber Menschen?«
    »Na ja«, sagt Widsun paffend. »Dein stummes Völkchen. In gewisser Weise geht es genau …«
    »Nicht länger stumm, wenn sie erst eine Weile hier gewesen sind.«

    Wortlos signalisiert Widsun seine Zustimmung und bläst einen Rauchring an die Decke. »Weißt du, dass ich jetzt für Zimmer vierzig arbeite?«
    »Zimmer vierzig?«
    »Im Ministerium. Telegraphentruppe.«
    »Ach nee, haben sie dich endlich am Wickel? Consummatum est und Homo fuge auf den Leib gebrannt. Und ich hatte mich schon gefragt, was der verschwörerische Ton in deinen Briefen bedeuten sollte.«
    »Hör zu, Karrefax: Seit ich zuletzt hier war, hat sich manches geändert.«
    »Da hast du verdammt recht! Als du das letzte Mal hier warst, habe ich mich mit Funk abgeplagt, nur um auf der Zielgeraden geschlagen zu werden. Wann war das? Siebenundneunzig? Achtundneunzig? Jedenfalls gut ein Jahr, bevor der Junge da geboren wurde.« Mit einer unbestimmten Geste weist er auf Serge, der still in der Ecke hockt, eine Guillotine in der Hand, da die Männer ihm erlaubt haben, damit ihre Zigarren anzuschneiden. »Heute haben wir allein in Masedown sieben Empfängerstationen.«
    »Nein, ich meine …«
    »Passiert mir verdammt oft. Man arbeitet dran, bereitet dem Neuen den Weg in die Welt, und dann kommt so ein Lump daher, schleicht sich ins Nest und stiehlt die Eier.«
    »Politisch, mein Freund, politisch, meinte ich. Es gibt Krieg.«
    »Es gibt – was? Krieg? Unsinn! Je mehr wir miteinander kommunizieren, desto unwahrscheinlicher wird ein Krieg.«
    »Wenn das nur wahr wäre«, seufzt Widsun betrübt, nippt an seinem Kognak und fährt fort: »Wir – also meine Kollegen und ich –, wir haben gehofft, wir könnten dich in Sachen Zeichensprache ausquetschen …«
    »Da bist du am falschen Ort, mein Lieber! Die war hier vom ersten Tag an verboten. Wir bringen ihnen das Sprechen bei,
nicht das Schweigen oder irgendwelche Geheimniskrämerei. Die nämlich führt zum Krieg!«
    »Ich habe den alten Bounder dabei beobachtet…«
    »Bounder?«
    »Deinen Gärtner.«
    »Ach, Bodner! Verflixter Kerl. Meine vermaledeite Frau besteht darauf, ihn zu behalten. Kam gewissermaßen mit dem Anwesen, ist hier, seit sie geboren wurde. Besondere Beziehung, verstehst du, und dann sein Mund …«
    »Diese Art Kommunikation wird wichtig, wenn …«
    »Als ich herkam, um ihr das Sprechen beizubringen, wollte ich es bei ihm auch versuchen – aber er wollte nichts davon wissen, dieser

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