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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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sagen ein Gedicht auf, und man wird Sophie in der Krypta beerdigen, vielmehr darunter, da es ebenerdig an Platz fehlt. Karrefax hat sich eine komplizierte Konstruktion ausgedacht, mit deren Hilfe Sophies Sarg in die Erde neben der Krypta hinabgelassen werden soll, um auf Schienen in eine unter dem Gebäude selbst ausgehobene Grube zu gleiten und leicht angehoben zu werden, wo er dann zwischen den sterblichen Überresten zweier Vorfahren zur Ruhe kommt; sobald das Manöver abgeschlossen ist, wird der Verbindungstunnel wieder mit Erdreich aufgefüllt. Die Grabungen beginnen zwei Tage vor der eigentlichen Beerdigung: Stützpfeiler mit Hebelwinden für das Absenken des Sargs; eine zweite, horizontal
funktionierende Winde für den Seitwärtszug und dann noch eine Pumphebelkonstruktion für das Hochfahren des Sargs. Als die Arbeiter so weit sind, säumen Erdhaufen den Graben, und das Hämmern und Klopfen, von denen das Anwesen widerhallte, verstummt; nur Vogelsang ist noch zu hören.
    Dr. Learmont, seit vielen Jahren Arzt für die Bezirke West Masedown und New Eliry, kommt persönlich vorbei, um Serges Vater zu sagen, dass der Gerichtsmediziner auf Unfalltod entschieden hat. Karrefax pflichtet ihm bei: »Das Zyanid stand gleich neben dem Glas mit Zitronenlimonade. Konnte man leicht verwechseln. Und dann war sie die ganze Nacht auf, um ihre Mischungen anzurühren. Beste Studentin, die das Imperial College hatte, seit Frauen zugelassen sind, sagen ihre Dozenten…«
    Learmont sieht Serge an, Serge sieht Learmont an. Das freundliche Gesicht des Arztes und die braune Ledertasche scheinen sich zu vervielfachen, undeutlicher und traumhafter mit jeder Wiederholung im sich verlängernden Korridor der Erinnerungen: entzündeter Hals, Masern, Windpocken und andere, namenlose Krankheiten, die ihn jedes Mal, ganz unabhängig von ihrer jeweiligen unangenehmen Eigenart, ins wohlige, vertraute Reich von Zitronentee mit Honig, Süßigkeiten und Bilderbüchern zurückführten – ein Reich, in dem Maureen stündlich die Kissen aufschüttelte, Sophie das Berliner Grammophon aus der Mansarde holte, um ihm Platten vorzuspielen, Mr Clair alle Termine aufschob, bis zu denen Serge Tabellen gelernt und Aufsätze geschrieben haben sollte, und ganz unabhängig davon, wie spät es tatsächlich jeweils gewesen war, schien es immer, als sei gerade eine der stillen, lang sich dehnenden Stunden mitten am Nachmittag angebrochen. Auf dieselbe Weise, auf die er ihn auch damals so oft berührt hatte, streckt Learmont nun den Arm aus und tätschelt Serge das Kinn.

    »Hältst du dich fit?«, fragt er.
    Serge nickt.
    »Werden bald alle jungen, kräftigen Männer brauchen«, sagt der Arzt.
    »Apropos – was noch mal? Ach ja, Imperial College: Ich wollte Sie fragen… «, sagt Karrefax zu Learmont, der die Brauen hebt, doch Karrefax fährt fort: »Wie Ihnen gewiss bekannt sein dürfte, ist es, was den Tod betrifft, durchaus schon zu Fehldiagnosen gekommen, sodass ein gewisser…«
    »Sie fürchten, es könnte kein Unfalltod gewesen sein?«, fragt Learmont.
    »Kein was? Nein, nein. Daran habe ich überhaupt nicht gedacht. Ich hatte vielmehr jene seltenen, doch, wie ich meine, ausreichend belegten Fälle im Sinn, in denen der Tod diagnostiziert wurde, die angeblich Verschiedenen aber einige Tage später wieder im vollen Besitz ihrer Fähigkeiten erwachten.«
    »Ich bedauere, Ihnen sagen zu müssen, dass wir in diesem Fall keine Hoffnungen hegen können, da nicht einmal die geringste Chance …«
    »In technologisch weniger fortgeschrittenen Zeiten behalf man sich mit Glocken und einer Schnur, die aus dem Grab zu kleinen Türmen über dem Grabstein führten, auf dass der in der Erde Ruhende, sollte er zu sich kommen und diese Tatsache jenen mitteilen wollen, die in der Lage waren, ihn zu befreien, in einer vertikalen Lage sozusagen …«
    »Aber Ihre Tochter wurde … Ich meine, nach der Autopsie gibt es so gut wie keine …«
    »Genau, prächtig! Also habe ich mir gedacht, wir könnten uns vielleicht mit modernerem Gerät behelfen, und folglich veranlasst, dass eine aus Serges Fundus gestiftete Morsetaste neben ihr in den Sarg gelegt und eine kleine Übertragungsantenne auf dem Dach der Krypta angebracht wird, sollte sie …«

    »Welche von meinen Morsetasten?«, fragt Serge. »Du hast mich überhaupt nicht gefragt!«
    »Auf diese Weise muss sie sich nicht auf den keinesfalls gewährleisteten Umstand verlassen, dass jemand genau in ebenjenem Augenblick an der

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