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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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seinen Schweinen her, und die Erde hat sie geheilt – jedenfalls sagt das Herr Landmesser. Ist er einer von euch?«
    »Ich kenne keinen Jirud und auch keinen Landmesser«, erwidert Tania. »Aber die Erde hier ist gut. Ohne sie hätte ich große Schmerzen. Jetzt umdrehen bitte.«

    Beim Umdrehen sieht er ihre vorgewölbte Schulter über sich. Er mag diesen verkrüppelten Körper, die Krankheit darin. Wie der Geruch scheint sie ihm noch mehr mitzuteilen – etwas, was von unten emporgurgelt und durch Tania hindurchströmt, als wäre sie nur eine Leitung, eine Anordnung von Röhren. Auch ihr glasiger Blick: die Art, wie ihre Augen fast nicht wahrzunehmen scheinen, was unmittelbar vor ihnen geschieht, da sie sich auf etwas anderes als das direkte Blickfeld richten, etwas Tieferes, Beständigeres…
    Verbessert sich sein Befinden? Eigentlich nicht. Eventuelle Fortschritte sind jedenfalls nicht zur Zufriedenheit seines alten Richters und Folterers. Er sieht Dr. Filip einmal die Woche und wird, während er auf dem Rücken liegt, der Detektorenschnauzbart zuckt und knistert, der Klopferarm über seinem Unterleib schwebt, über sein Versagen als Patient belehrt.
    »Also: Sieht aus, dein Körper reagiert nur auf die Behandlung, dass er sich wieder selbst vergiften kann«, schimpft der Doktor im scharfen Ton.
    »Was vergiftet ihn?«, fragt Serge.
    » Was ? Es gibt kein Was . Er vergiftet sich aus sich selbst.«
    » Womit dann?«, versucht Serge es aufs Neue.
    » Womit gibt es auch nicht. Deine Krankheit ist kein Ding, ist ein Prozess. Ein Rhythmus. Körper sondert Toxine ab, Organe gewöhnen sich dran, und durch Gewohnheit verdorben, werden abhängig. Wenn Toxine aufgebraucht sind, verlangen Organe nach mehr. Mehr Ptomain, bitte! Mehr Pathogene! Und Körper macht mehr. Der Rhythmus wiederholt sich, immer wieder. Und er wiederholt sich, bis du – ich mein dein Wille, dein Verstand – sagt, er soll aufhören.«
    »Wie sage ich ihm das?«, fragt Serge.
    Dr. Filip hört auf zu klopfen; aus zusammengekniffenen Augen mustert er Serge durch seine Stahlbrille. »Sag«, fragt er, »gefällt’s dir hier?«

    Serge zuckt die Achseln. »Geht so.«
    »Dir gefällt der Rhythmus deiner Tage? Die Einläufe, die Hydrotherapie, die Spaziergänge …«
    »Ja, ganz angenehm«, erwidert Serge.
    In den zusammengekniffenen Augen blitzt es metallisch auf. »Siehst du? Du findest es angenehm – und ich glaub, den Rhythmus deiner Krankheit findest du auch angenehm. Es gefällt dir, dich an mela chole zu weiden, morbide Masse zu schlemmen, immer und immer und immer wieder, wie ein köstliches Mahl – leckeres, schwarzes, verfaultes Fleisch. Und so besudelt das verfaulte Fleisch deine Seele.«
    »Aber wenn es mir hier gefällt«, entgegnet Serge, »und ich mich an die Vorschriften halte, dann bedeutet dies doch, dass ich die Behandlung annehme und mich ihr nicht widersetze, oder?«
    Dr. Filip wendet sich von ihm ab und hantiert an seinen Instrumenten herum. Sein schmaler, straffer Rücken wirkt angespannt vor lauter Nachdenken. Nach einer Weile antwortet er: »Dinge ändern sich. Das ist der Lauf der Natur – der guten Natur: Auf ihrem Weg irgendwohin ziehen die Dinge wo durch, und sie wie auch das, wodurch sie ziehen, wird dadurch verändert. Kannst du mir folgen?«
    »Denk schon«, erwidert Serge zögerlich.
    »Du aber«, fährt der Arzt fort, »du hast eine Blockierung. Sperre, Schranke, Stau. Statt Transformation bloß Repetition. Musst dich befreien von dem, was staut, den Rhythmus der Intoxikation brechen – dann kann gute Transformation wieder einsetzen, Dinge ziehen durch dich durch und öffnen dich. Du bist noch jung, musst noch viel transformieren. Stau muss sich auflösen, dann öffnen sich Leib und Seele, wie Blumen.«
    Immer noch auf dem unterteilten Tisch liegend, sieht Serge vor seinem inneren Auge in Kokons steckende Menschen,
gefangen in Sekretären, in Bündeln schweißgetränkter Decken, die sich in Achten drehen, während sie zu Harz absondernden, schwarzen Seidenlarven mutieren, aus denen niemals Motten schlüpfen. Wie aus einem Lautsprecher hört er aus den Tiefen seines Bauches erneut den Schrei eines Kindes, einer Frau.
    »Raus jetzt mit dir«, sagt Dr. Filip. »Geh und verwandle dich.«
    Mitte September findet ein großes religiöses Fest statt. Clair hält es für das Fest der Kreuzerhöhung; Miss Larkham meint, man begehe den Geburtstag der Gottesmutter; Serge kümmert es nicht, welches Fest es ist, und Lucia findet das

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