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Titel: K Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T McCarthy
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um dem Hauptquartier Bescheid zu sagen, dass man sich keine Sorgen zu machen braucht?«
    »Aber natürlich«, antwortet die Lehrerin, jetzt mit strahlender Miene. »Wir bringen Sie für die Nacht schon unter.«
    »Und wo sollen sie schlafen, Miss?«, fragt ein rundgesichtiges Mädchen, während sie ihr Schlägernetz befingert.

    »Sie können in der Wohnung vom Hausmeister übernachten; er ist doch nicht da.«
    »Oh nein, wir dürfen die Maschine nicht unbewacht lassen«, verkündet Stedman mit feierlichem Ernst. »Wir werden hier draußen bei ihr schlafen. So kalt ist es ja nicht…«
    »Nun, dann lassen Sie uns Ihnen wenigstens einige Brote und eine Thermosflasche bringen.«
    »Zu gütig, Madam«, antwortet Stedman. »Ich komme und hole sie selbst.«
    Es sind die Große und die Rundgesichtige, die sich nach Einbruch der Dunkelheit zu ihnen hinausschleichen: zwei deutliche Silhouetten, die über das Feld laufen. Stedman und die Rundgesichtige treiben es auf dem Rasen im Schutz des Unterflügels; Serge hilft der Großen in die Gondel, wo sie die Arme um das Lewis-Maschinengewehr schlingt (der Sicherungshebel ist zum Glück umgelegt), sich vorbeugt und zulässt, dass er ihr von hinten das Höschen abstreift. Im Morgengrauen laufen die Mädchen zurück. Im Laufe der nächsten zwei Wochen verlieren drei weitere Flugzeuge Teile über demselben Platz.
    Während seiner Zeit in Hythe sieht Serge zwei Unfälle, der erste passiert direkt vor seinen Augen. Er wartet mit Stedman darauf, abheben zu können, als Quinnell und Kirk, die unmittelbar vor ihnen gestartet sind, ins Trudeln geraten, zurück auf den Flugplatz stürzen und genau an der richtigen Stelle landen, nur falsch herum, mit der Nase zuerst. Kirk ist tot; Quinnell hat sich das Rückgrat gebrochen und wird ins Krankenhaus nach Dover gebracht. Ihre Maschine bleibt noch mehrere Tage auf dem Platz: Jeden Morgen nach dem Frühstück versammeln sich dort die Kadetten und starren nachdenklich auf die seltsame, nutzlose Geometrie umgeknickter Holme, das Steuerruder ein bloß noch dekorativer Wetterhahn.
    »Sieht aus wie der Eiffelturm«, sagt Serge, »der Eiffelturm, wie er langsam umkippt, weil ein Fuß abgeknickt ist.«

    »Oder wie eine Ölpumpe«, entgegnet Payton, »eine schiefe, zumindest wie dies oberirdische Gestell, in dem die eigentliche Pumpe hängt.«
    Den zweiten Unfall sieht er nicht direkt, nur die Folgen. Beswick vergisst, sich anzuschnallen, und fällt aus der Maschine, als sein Pilot einen Looping dreht. Er fällt dreitausend Fuß tief und schlägt in einer nahen Weide auf. Noch wochenlang bleibt ein Beswick-förmiger Abdruck im Gras: Kopf, Torso, Beine und ausgestreckte Arme.
    »Die körpereigene Säure«, erklärt Stedman, als er sich eines Nachmittags mit Serge den Fleck ansieht. »Lässt kein Gras nachwachsen.«
    »Verblüffende Ähnlichkeit«, sagt Serge.
    »Von all seinen Erinnerungen, allem, was er je gedacht, je getan hat, bleibt nur Batteriesäure übrig.«
    »Warum auch nicht?«, fragt Serge. »Das sind wir nun mal.«
    III
    Im Juni wird er verlegt und der 104. Fliegerstaffel als Beobachter zugeteilt. Ein Lazarettschiff in Folkstone, nicht weit von Hythe entfernt, transportiert ihn zusammen mit mehreren Tausend Soldaten, alle bewaffnet.
    »Ist das nicht Schummeln?«, fragt Serge den Transportfeldwebel, als er den grünen Streifen und das Rote Kreuz auf dem Rumpf entdeckt.
    »Was anderes haben wir nicht«, erwidert der Feldwebel. »Kam her zur Desinfektion und muss nun zurück nach Frankreich. Aber wenn Sie lieber schwimmen wollen …«
    Sie gehen an Bord, müssen dann aber aus unerfindlichem Grund alle wieder an Land, verbringen die Nacht in einem
schmuddeligen Hotel, gehen am nächsten Tag erneut an Bord und legen schließlich ab. Serge fragt sich, welche Krankheit sich auf dem Schiff ausgebreitet hatte, ehe es desinfiziert wurde, und sieht eine gelbe Cholerawolke über das Deck wogen, um die Streben und Seilzüge der Rettungsboot-Davits wallen. Als er in Boulogne ankommt, muss er feststellen, dass das ganze Hafenviertel ein einziges, riesiges Lazarett ist, in dem kranke Männer reihenweise auf Tragen liegen und auf ihre Evakuierung warten. Die Gegend außerhalb der Stadt sieht auch nicht gesünder aus: Bäume lassen matt ihr Geäst hängen, Felder, auf denen zu dieser Jahreszeit der Weizen stehen sollte, sind kahl. Den Marschbefehlen folgend, die man ihm in Hythe mitgegeben hat, geht er zu einer kleinen Anlegestelle und an Bord einer

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